Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Ausdruck sich veränderte: Der lachende Mund klappte zu; die Lippen wurden dünn. Schrecken weitete ihre Augen, aus denen das übermütige Funkeln plötzlich verschwunden war. Sie senkte den Blick, kam hastig auf die Füße und klopfte sich die Grashalme vom Rock. Als sei sie bei etwas Verbotenem ertappt worden.
Julian spürte, wie sein eigenes Lächeln aus seinen Zügen sickerte. Wie schade, dachte er bedauernd. Er hatte in den letzten Monaten wenig Gelegenheit gehabt, solch ein friedliches, unbeschwertes Idyll zu betrachten, und seinetwegen hätte es gern noch ein wenig länger andauern dürfen.
Kate war Janets Blick gefolgt. »Julian!« Mit ausgestreckten Händen trat sie ihm entgegen. »Welch eine freudige Überraschung. Willkommen daheim, Bruder.«
Er nahm ihre Rechte mit der Linken. »Danke. Alles in Ordnung hier?«
»Alles in Ordnung.« Die dunklen Lancaster-Augen seiner Schwester strahlten. »Du hast einen Sohn, Julian. Er kam ein wenig zu früh, eine Woche vor dem ersten Advent, aber er ist kerngesund. Ein goldiger, blondgelockter Cherub.«
Julian spürte sein Gesicht kalt werden. Wortlos sah er seiner Gemahlin entgegen, die zögernd auf ihn zutrat.
Kate bemerkte ihr eisiges Schweigen nicht, denn sie hatte die Linke vor den Mund geschlagen und murmelte: »Entschuldigt, Janet. Wie gedankenlos von mir. Natürlich wäre es Euer Vorrecht gewesen, Julian die gute Nachricht zu überbringen.«
Ihre Schwägerin lächelte mühsam. »Schon gut, Kate.« Sie knickste vor Julian. »Willkommen in Waringham, Mylord.«
Julian nickte und räusperte sich entschlossen. »Danke.«
Scheu wies seine Frau auf seinen rechten Arm. »Seid Ihr verletzt?«
»Nur ein Kratzer.« Bei der Rückeroberung von Bamburgh vor einigen Tagen hatte ihn ein Pfeil in den Oberarm getroffen, gleich unterhalb der Schulter. Es war eine hässliche Fleischwunde gewesen, nichts weiter. Das Loch in der Rüstung ärgerte ihn mehr als die Verwundung, die anstands- und vor allem kostenlos verheilte. Aber es schmerzte noch ziemlich, den Arm zu bewegen, und Janet hatte offenbar bemerkt, wie verräterisch still er ihn hielt. Er wusste ja bereits, dass sie eine geradezu unheimlich gute Beobachtungsgabe hatte. »Beim Reiten kann man auf die rechte Hand zum Glück besser verzichten als auf die linke«, fügte er hinzu und wandte sich dannan seine beiden Nichten, die ungeduldig darauf warteten, ihn zu begrüßen.
»Agnes.« Er stupste die Kleine sacht mit dem Finger auf die Nasenspitze. »Was macht der Lateinunterricht, hm?«
Sie schnitt eine hinreißende Grimasse. »Es ist furchtbar, Onkel.«
»Ich glaube, je weniger darüber gesagt wird, desto besser«, bemerkte Kate säuerlich.
Julian wandte sich an die ältere seiner Nichten. »Ja, du meine Güte, Martha, bist du etwa schon wieder gewachsen?«
»Sagt Mutter auch.«
»Und wie alt bist du jetzt?«
»Zwölf, Onkel.« Sie sagte es mir unverhohlenem Stolz.
»Ah«, machte er grinsend. »Heiratsfähig.«
Martha schlug die Augen nieder, und eine tiefe Röte überzog ihr Gesicht.
Kate legte ihr schützend den Arm um die Schultern. »Das hat noch ein Weilchen Zeit, würde ich sagen.«
Julian fuhr seiner verlegenen Nichte lachend über den blonden Schopf. Es verblüffte ihn, wie unbeschwert er tun konnte. Wie mühelos er sie anscheinend alle hinters Licht führte. Denn niemand sah ihn argwöhnisch oder unsicher an, weil er sich merkwürdig verhielt. Dabei fühlte er sich, als habe sich eine eisige Hand um sein Herz gelegt, und eine dünne, schrille Stimme schrie in seinem Kopf: Ein Junge. Sie hat Edward einen Bastard geboren. In meinem Haus. Sie will mir einen Bastard unterschieben. Was soll ich nur tun?
Doch er begrüßte die übrigen Damen, erkundigte sich höflich nach dem Befinden seiner Schwester, tat und sagte all das, was von ihm erwartet wurde, ehe er den Arm seiner Frau nahm und murmelte: »Wenn Ihr so gut sein wollt, Madam.«
Er führte sie zum Bergfried, und die Damen schauten ihnen mit einem nachsichtigen Lächeln hinterher. Julian war über ein halbes Jahr fort gewesen. Es war nicht gerade schicklich, dass er seine Gemahlin am helllichten Tage zu Bett führte, aber niemand konnte es ihm verdenken.
Nur Janet, die fürchtete, dass sein Griff ihr den Oberarm wie ein dürres Zweiglein brechen werde, ahnte, dass es keine amourösen Absichten waren, die ihn trieben.
Mit gesenktem Kopf lief sie neben ihm her, hatte Mühe, Schritt zu halten.
Julian zerrte sie die Treppe hinauf, mogelte sich an
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