Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
wie verschlagen wirken ließ. Aber Julian kannte sie ziemlich gut und sah auch all das, was sie zu verbergen suchte: Die Haltung der Schultern verriet ihre Erschöpfung. Kleine Kerben in den Mundwinkeln die Anspannung und Verbitterung, das Pochen in der linken Schläfe ihren Zorn, und was sie hinter den gesenkten Lidern verbarg, waren immer solche Empfindungen, deren sie sich schämte. Furcht, nahm er an. Und Trauer über den Verlust all dessen, was ihr gestohlen worden und was ihr entglitten war.
»Wo ist der Prinz?«, fragte Julian.
Wie er geahnt hatte, taute die Königin bei der Erwähnung ihres Sohnes ein wenig auf. »Er reitet mit de Brézé zur Jagd. Edouard ist ein hervorragender Jäger geworden, Mylord, Ihr würdet staunen.« Mit einem Seufzer forderte sie auch Lucas und Blanche auf, sich zu erheben, und Letzterer schenkte sie gar ein Lächeln. »Es ist schön, Euch zu sehen, Lady Blanche. Immer, wenn ich an Euch denke, bin ich erleichtert, dass ich doch nicht die einzige Frau in England bin, die aus der Rolle fällt.«
Es hätte auch eine Kränkung sein können, aber Blanche schmunzelte, und als Julian die beiden Frauen einen wissenden Blick tauschen sah, kamen sie ihm vor wie Verschwörerinnen.
»Seid Ihr nicht wohl?«, fragte Marguerite die jüngere Frau.
Blanche hob ergeben die Schultern. »Das Meer, Madame.«
»Oh, ich verstehe. Mir macht es auch jedes Mal zu schaffen. Ich habe nach Wein geschickt. Der wird Euch beleben.«
»Ihr seid sehr gütig, Majesté.«
Jasper verschränkte ungeduldig die Arme vor der Brust. Wir sind nicht hergekommen, um Artigkeiten auszutauschen, sagte die Geste. »Wie steht es mit dem König von Frankreich?«, fragte er.
Marguerite hob die Hände und schüttelte den Kopf. »Das wüsste ich auch gerne.«
»Wird er uns unterstützen?«, wollte Julian wissen.
»Er sagt ja und tut nichts. Im Juni war er hier. Hat mich besucht, nicht zu sich bestellt – es war eine Ehre mit hohem Symbolcharakter. Das hat mir Hoffnung gemacht. Und wir sind uns handelseinig geworden. Er hat mir ein Darlehen von zwanzigtausend Francs zur Aufstellung einer Truppe versprochen.«
»Und was habt Ihr ihm im Gegenzug geboten?«, fragte Julian besorgt.
Marguerite sah ihm in die Augen, als sie antwortete: »Calais.«
Seine böse Ahnung hatte ihn also nicht getrogen. Er schüttelte den Kopf. »Das wird in England großen Unmut hervorrufen.«
»Was sollte mich das kümmern?«, brauste sie auf. »Wenn Henry erst wieder auf seinem Thron sitzt, können die Engländer so viel jammern, wie sie wollen. Aber ich hatte sonst nichts, was ich Louis bieten konnte, versteht Ihr? Er wollte es unbedingt, und für England ist die Besatzung Calais’ doch nichts als ein Relikt. Eine sentimentale Erinnerung an bessere Zeiten. Dergleichen Luxus können wir uns nicht leisten.«
»Calais ist der Brückenkopf für Englands Wollhandel auf dem Kontinent«, widersprach Lucas. »Die Kaufleute brauchen Calais, Madame. Und die Krone braucht die Kaufleute.«
Die Königin winkte desinteressiert ab. »Danke, Sir Lucas, aber das Drohgebaren von Euch Pfeffersäcken beeindruckt mich schon lange nicht mehr …«
Niemand sagte etwas. Sie alle waren an ihre Spitzen gewöhnt, und niemand verspürte Lust, ihren Köder zu schlucken.
Julian fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Nun, ichwürde sagen, über die Rückgabe von Calais können wir streiten, wenn Louis die zwanzigtausend Francs bezahlt. Falls er sie zahlt.«
Marguerite nickte und lud sie mit einer Geste ein, am Tisch Platz zu nehmen, der unter dem Fenster stand.
Das wurde auch Zeit, dachte Julian verdrießlich und setzte sich ein gutes Stück von der Königin entfernt neben seine Schwester.
»Ihr habt Recht, Waringham«, räumte Marguerite ein. »Ich sitze hier und warte auf das Geld, das er mir versprochen hat, und es kommt und kommt einfach nicht. Langsam werde ich unruhig.«
Es klopfte an der Tür, ein livrierter Diener trat ein und brachte Wein in einem Zinnkrug.
Marguerite lebt bescheiden, dachte Julian beklommen. Die Erkenntnis gefiel ihm nicht. Er fand es schamlos von König Louis, dass er Marguerite – seine Cousine – darben ließ. Für eine Königin gehörte es sich einfach nicht, Wein aus Zinnkrügen zu trinken, selbst wenn sie ihre Krone verloren hatte. Jedenfalls vorübergehend.
Dieses kleine Detail, das Bände über Marguerites Position in Frankreich sprach, war auch Jasper nicht entgangen. Er wechselte einen Blick mit Julian, ehe er Marguerite
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