Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
dass alle Yorkisten gut und alle Lancastrianer schlecht seien. Der Hass ihres Vaters und Bruders auf die Herzöge von Suffolk und Somerset, ihre bedingungslose Verehrung für den Duke of York hatten diese Überzeugung geprägt. Selbst als König Edward sie trotz ihrer höflichen Proteste in sein Bett geholt, selbst als ihr Bruder William sie so schändlich verraten hatte, hatte sie diesen Glauben nicht in Zweifel gezogen. Die Schuld lag bei ihr, nahm sie an. Unbewusst hatte sie den König in unziemlicher Weise auf sich aufmerksam gemacht, seinen Jagdinstinkt geweckt. Und deswegen hatte ihr großer Bruder jede Zuneigung und Achtung für sie verloren. Weil er sie für unkeusch hielt. Darum hatte er sie verstoßen und in die Ehe mit Julian of Waringham – einem berüchtigten Lancastrianer – gezwungen. Sie hatte sich all das nur selbst zuzuschreiben, hatte sie geglaubt.
Aber auch wenn daraus folgte, dass sie Strafe verdiente, hatte sie sich doch halb zu Tode gefürchtet, als ihr grimmiger, unnahbarer Gemahl sie nach Waringham gebracht hatte – in dieses Feindesland. Und dann war nichts so gekommen, wie sie gedacht hatte. Als sie weggelaufen war, Waringham von ihrer Schwangerschaft und ihrem Spionageauftrag erfahren hatte, hatte er sie weder totgeschlagen noch in ein Kloster gesperrt. Und nachdem er fortgegangen war, um die Burgen im Norden für seine unmögliche, lasterhafte, obendrein französische Königin zurückzuerobern, hatte seine Schwester sich ihrer angenommen und ihr in großzügiger Weise ihre Freundschaft angeboten. Eines Abends kurz vor Vollmond war Kate in das Wohngemach gekommen, wo Janet saß und sich verzweifelt bemühte, einen unverfänglichen, aber glaubwürdigen Bericht für ihren Bruder abzufassen, und als Kate sie fragte, was sie dort tue, hatte Janet ihr kurz entschlossen die Wahrheit gesagt. Kate vereinte in sich das Erzähltalent der Waringham und die Vorliebe für bizarre Situationen der Lancaster. Mit diebischem Vergnügen hatte sie Janet einen Monatsbericht diktiert. »Hm, lasst uns überlegen. November. Was würde mein Bruder tun,wäre er daheim? Was machen Lords in der Regel im November? Nicht besonders viel außer Jagen – wie meistens. Schreibt, Euer Gemahl habe an Hubertus beim Festmahl zu viel vom Hirsch gegessen und anschließend eine Woche mit Bauchgrimmen das Bett hüten müssen.«
»Was?«, hatte Janet entgeistert gefragt.
Kate machte eine ungeduldige, auffordernde Geste. »Schreibt schon. Dann, nachdem Lord Waringham genesen war und das trockene Wetter kam, ist er mit Frederic nach Hetfield geritten, um dort das Martinus-Schlachten zu inspizieren. Auf dem Rückweg hat sein Pferd ihn abgeworfen, und er hat sich die Schulter ausgerenkt …«
»Madam, Ihr macht einen Narren aus meinem Gemahl«, hatte Janet errötend protestiert.
»Denkt Ihr nicht, das wird Euren Bruder amüsieren?«
Janet hatte die Unterlippe zwischen die Zähne genommen, aber sie konnte ein Kichern nicht ganz unterdrücken. Als ihre Blicke sich trafen, brachen sie beide in Gelächter aus. Und von da an war alles anders geworden.
Lady Kate empfand großes Mitgefühl mit dem vertriebenen Lancaster-König, konnte aber nur wenig Verständnis für den blutigen Konflikt aufbringen. Behutsam und ohne Überheblichkeit hatte sie Janet die Augen für die schlichte Tatsache geöffnet, dass nicht die Zugehörigkeit zu einer politischen Fraktion den Charakter eines Menschen ausmachte. Jedenfalls nicht allein. Kate – die mehr als zwanzig Jahre älter war als sie und deren Freundschaft eine mütterliche Wärme hatte, die Janet als wohltuend und tröstlich empfand – hatte ihr geholfen, die starren Dogmen zu überwinden, die ihr Bruder ihr eingetrichtert hatte, und sich selbst ein Urteil zu bilden. So war es Janet möglich geworden, sich ohne Scham einzugestehen, dass sie sich in den raubeinigen, spöttischen, aufbrausenden Lancastrianer, der ihr Gemahl war und der so unerwartet galant, schüchtern und sanftmütig sein konnte, verliebt hatte und jeden Abend für seine baldige und vor allem wohlbehaltene Heimkehr betete.»Wir sind nach Hause gekommen, weil Edward ein Parlament einberufen hat«, erklärte Lucas Durham. »Da Julian ja offiziell hier war, konnte er schlecht vorgeben, die Ladung nicht bekommen zu haben.«
Frederic nickte. Sie liegt seit drei Wochen hier, und wenn ihr nicht gekommen wäret, hätte einer von uns sich auf die Suche nach euch gemacht , schrieb er.
Wie so oft hockte Julian mit seinen drei
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