Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
dem königlichen Schwanz statt mit dem gekrönten Haupt. Sie ist ein Niemand. Lancastrianerin obendrein. Es ist ein Skandal. Schlimmer als das, es ist eine nationale Krise, Julian.«
Julian verstand nicht, was an dieser Heirat so katastrophal war. Achselzuckend entgegnete er: »Elizabeth Woodville ist auf jeden Fall eine sehr vornehme, schöne Frau. Ihre Mutter ist von feinstem Adel und stammt von Karl dem Großen ab.«
»Ja, und ihr Vater von einem räudigen Straßenköter, darauf möcht ich wetten«, knurrte Warwick.
Julian schnalzte missbilligend. Er hörte es nicht gern, wenn eine Dame wie Elizabeth Woodville beleidigt wurde. »Wann und wo haben sie geheiratet? Wie ist es möglich, dass der Hof nichts davon erfahren hat?«
»Am ersten Mai«, antwortete Warwick angewidert. »Uns hat er weisgemacht, er wolle zur Jagd, ist vor Tau und Tag aufgestanden und ohne Begleitung nach Grafton geritten, wo sie sich in aller Heimlichkeit trauen ließen. Fünf Monate lang hat er uns zum Narren gehalten, während wir auf dem Kontinent potenzielle Heiratskandidatinnen bei Laune zu halten versucht haben.«
Julian glaubte eher, dass Edward gezögert hatte, sein Geheimnis zu offenbaren, weil er das unausweichliche Donnerwetter, das sich über ihm entladen würde, möglichst lange aufschieben wollte. Der junge König war von sonnigem, beinah kindlichem Gemüt. Rauschende Feste, Turniere und Schlachten waren sein bevorzugter Zeitvertreib, nicht fruchtlose Debatten mit einem echauffierten Kronrat.
»Sie hat es ja so schlau eingefädelt, Julian«, sagte Warwick bitter. »Sie hat sich rar gemacht bei Hofe. Hin und wieder folgte sie seiner Einladung, kam in großer Garderobe und hat Edward gezeigt, was er nicht haben konnte. Bis er schließlich so vonSinnen war, dass er diese unverzeihliche Dummheit beging. Und nun hält sie Einzug bei Hof mit ihrer ganzen Sippschaft . Mir wird geradezu übel, wenn ich daran denke. Obendrein ist sie Jahre älter als er.«
Julian winkte ab. »Nun beruhige dich, Richard. Königinnen sind oft älter als ihre Gemahle. Mir scheint, du bist nur wütend, dass der Knabe, den du auf den Thron gesetzt hast, plötzlich erwachsen geworden ist und eigene Entscheidungen trifft. Vielleicht ist die Lösung gar nicht so schlecht. Auf diese Art und Weise sind weder Frankreich noch Burgund beleidigt.«
»Sie sind alle beide beleidigt«, brauste Warwick auf. »Brüskiert! Und ich stehe da wie ein Tor!«
Das ist es, was ihn in Wirklichkeit so erzürnt, wusste Julian. Der Earl of Warwick war ein kluger Politiker, ein listenreicher Stratege und ein kühler Rechner. Aber seine Eitelkeit war seine größte Schwäche.
»Nächsten Frühling ist es vergessen«, prophezeite Julian beschwichtigend.
»Ich werde es ganz gewiss nicht vergessen«, widersprach Warwick grimmig. Einen Moment sah er seinem Cousin in die Augen, und die Farbe der seinen glich dem lodernden Blau an der heißesten Stelle eines Feuers. »Um dir die Wahrheit zu sagen, Julian: Seit gestern Morgen frage ich mich, ob ich vielleicht einen schweren Fehler begangen habe, als ich vor zehn Jahren meine Wahl für York getroffen habe.«
Julian erwiderte den Blick wie gebannt und spürte etwas im Magen, das sich wie ein giftiger Eiszapfen anfühlte. Gott steh uns allen bei, dachte er. Es ist noch nicht vorüber.
London, Juli 1469
»Was für ein
abscheulicher Tag«, sagte Lucas Durham und sah sich missmutig um. Ein grauer Himmel hing über dem weitläufigen Innenhof des Tower of London und ließ die nass geregneten Mauern und Türme ebenfalls grau erscheinen. Es nieselte, und es war ungewöhnlich kalt für die Jahreszeit. »Ich hasse den Tower«, fügte Lucas verdrossen hinzu. »Das liegt in der Familie.«
Julian seufzte verstohlen. »Ich weiß. Ich schätze, du hast mir das schon ungefähr zweihundert Mal erzählt.«
»Ich finde es wirklich grausam von dir, mich hierher zu verschleppen. Und derweil sitzt dein Knappe behaglich daheim in Waringham und ergeht sich in seligem Nichtstun …«
»Er hat ein Bein gebrochen, Lucas.«
»Vielleicht hätte ich das auch lieber, als im Moment hier zu sein.«
»Komm schon, jetzt zeig mal ein bisschen Rückgrat, ja«, schalt Julian ungehalten. »Du tust geradezu so, als solltest du hier eingekerkert werden, dabei machen wir nur einen Höflichkeitsbesuch.«
»Dieser Tage weiß man nie, was einem passieren kann, wenn man einen Fuß in diese Stadt setzt. Von dieser Festung ganz zu schweigen.«
Die Ankunft des
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