Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
hatte, war er ins Gestüt gegangen. Genau genommen war er geflüchtet. Hier wusste er wenigstens, wovon er redete, denn mit Pferden kannte er sich aus. Ganz im Gegensatz zur Landwirtschaft, Buchführung oder – Gott helfe ihm – Rechtsprechung.
»Und denk nicht, ich sei nicht froh darüber«, gab der Stallmeister zurück. Sie lehnten am Gatter an einem der Übungsplätze und schauten zu, während zwölf Stallburschen unter der Anleitung und den kritischen Blicken von Jack, Geoffreys Vormann, mit den Zweijährigen die üblichen Trainingsmanöver ritten. »Aber es ist nicht gut fürs Geschäft.«
Julian nickte trübsinnig. »Derzeit werden Schlachtrösser nur noch für Turniere gebraucht. Da überlegen sich die Ritterein bisschen länger, ob ihnen der vierbeinige Luxus dreihundert Pfund wert ist.«
»So ist es. Und der Verschleiß ist weit geringer als früher, denn im Turnier trennt niemand den Gäulen die Kehle durch oder reißt ihnen die Gedärme aus dem Leib.«
Julian schnitt eine Grimasse. »Gott … Manchmal bin ich froh, dass ich zu jung war, um die letzten Schlachten des Krieges mitzuerleben«, gestand er seinem Cousin. »Ich glaube nicht, dass es mir viel ausgemacht hätte, Franzosen mit durchtrennter Kehle und herausgerissenen Gedärmen zu sehen. Aber Pferde …« Er schüttelte sich.
Geoffrey grinste flüchtig und kam auf ihr ernstes Thema zurück. »Zehn hervorragende Tiere sind bei der Auktion nicht verkauft worden. So etwas hat es noch nie gegeben. Möglicherweise habe ich irgendwas falsch gemacht, ich habe ja nicht besonders viel Erfahrung. Dein alter Herr war so gut wie nie hier, und Robert … Na ja, du weißt ja selbst, wie er war, und er hatte weder Interesse an Pferden, noch verstand er sich auf die Zucht. Jetzt stehen die Gäule hier und fressen uns die Haare vom Kopf. Nutzloses Pferdefleisch im Wert von dreitausend Pfund.«
Julian dachte nach. »Bevor wir sie gar nicht verkauft bekommen, sollten wir die Preise senken. Wie weit könnten wir runtergehen, ohne uns das Kreuz zu brechen?«
»Alles über zweihundert Pfund wäre zu verkraften. Aber wo willst du sie verkaufen? Es gibt nur eine Pferdeauktion in Waringham pro Jahr, und die ist vorbei.«
»Ich könnte ein paar Freunden Nachricht schicken. Es gibt noch genug Ritter in England, die gute Pferde zu schätzen wissen, auch wenn niemand mehr Verwendung für solche Ritter zu haben scheint.«
Geoffrey richtete sich auf und sah ihn an. »Ich habe auch ein paar alte Freunde, die wir mit einem guten Angebot wahrscheinlich ködern könnten. Lass es uns versuchen, Julian.«
»Du meinst … du hältst es für eine gute Idee?«, fragte Julian verblüfft.
»Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich nicht selbst darauf gekommen bin.«
»Und wir könnten …« Julian brach unsicher wieder ab.
»Was?«, hakte der Stallmeister nach.
Der junge Waringham überlegte. »Unser Urgroßvater hat dieses Gestüt gegründet, bevor der Krieg ausbrach«, sagte er schließlich. »Und er hat damals hauptsächlich Reitpferde gezüchtet. Für betuchte Kaufleute, feine Damen, was weiß ich. Edle, kostspielige Rösser, aber nicht diese Riesen hier, die wirklich nur unsere Jungs oder ausgebildete Ritter handhaben können.«
»Hm, aber selbst die kostbarsten Reitpferde bringen nur die Hälfte dessen, was ein Schlachtross wert ist.«
»Mag sein, aber sie werden gebraucht . Und zwar in Scharen. Die Pfeffersäcke in London werden immer reicher, und ihre Zahl wächst.«
»Hm.« Der Stallmeister dachte lange nach. Dann sagte er kopfschüttelnd: »Wir können die Zucht nicht von heute auf morgen umstellen.«
»Natürlich nicht. Ich sage auch nicht, dass wir aufhören sollen, Schlachtrösser zu züchten. Wir … erweitern lediglich unser Angebot. Wir könnten damit anfangen, dass wir all unsere Stutfohlen behalten und ausbilden. Das kostet uns keinen Penny zusätzlich.«
»Oh doch. Es kostet uns zwei Jahre Futter, und wir müssten zusätzliche Ställe bauen.«
Julian seufzte. »Daran hab ich nicht gedacht«, musste er eingestehen. »Gott, ich tue nur so, als hätte ich Ahnung von diesen Dingen. Wahrscheinlich mach ich mich gerade mal wieder lächerlich.«
Geoffrey hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. »So hab ich’s nicht gemeint. Ich sage nur, wir sollten es nicht tun, ohne vorher auszurechnen, ob es sich lohnt. Oder was wir tun müssen, damit es sich lohnt. Aber der Gedanke, solche Pferde zu züchten, die wir auch verkaufen können, ist alles andere als
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