Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Ellbogen und schob ihn in den Raum hinein.
Die Frau stand ohne Eile auf, klappte ihr Buch zu und legte es in den Sessel. Sie trat ihnen mit einem kleinen Lächeln entgegen,und als sie vor ihnen anhielt, streckte sie die Hände aus. »Gott segne und beschütze dich, mein Sohn.«
Richmond wirbelte zu Julian herum, die Augen weit aufgerissen. »Was …«
Julian verbarg sein Unbehagen hinter einem Augenzwinkern. Er hatte ein schlechtes Gewissen, dass er den Jungen so überrumpelt hatte, aber er war überzeugt, das Richtige zu tun. »Es ist vielleicht ein wenig seltsam, aber lasst mich euch miteinander bekannt machen. Megan: Dein Sohn, Henry Tudor. Richmond: Dies ist deine Mutter, Lady Margaret Beaufort.«
Der Junge blinzelte verstört. Er sah zu Julian, dann zu seiner Mutter, streifte den Fremden am Kamin mit einem Blick, ohne ihn wahrzunehmen, und flüchtete sich schließlich in eisige Höflichkeit. Er verneigte sich förmlich, die Hand auf der Brust. »Madam.«
Sie legte die Hände auf seine Schultern, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihm die Stirn. »Ich weiß, dass es schwer für dich ist«, sagte sie dann, und sie sprach sanft, aber ohne Herablassung. Sie gab seine Schultern frei und trat einen Schritt zurück, als spüre sie, dass er versucht war, die Flucht zu ergreifen. »Ich weiß, dass du verbittert bist.«
»Ihr wisst nicht das Geringste über mich«, erwiderte er nüchtern.
Der Mann vom Kamin trat hinzu und streckte ihm die Rechte entgegen. »Richmond, ich bin Hal Stafford, Euer Stiefvater.«
Julian fuhr zusammen. Verfluchter Trottel, dachte er.
Richmond zuckte nicht mit der Wimper, aber er ignorierte die Hand.
Hal kam noch einen Schritt näher, eine unmissverständliche Röte stieg ihm in die Wangen. »Habt Ihr nicht gehört, Söhnchen, ich sagte …«
Julian packte ihn unsanft am Ärmel. »Lass uns gehen, Hal.« Er zerrte ihn zur Tür.
»Aber … Was fällt dir ein, Julian?«
Julian öffnete die Tür, schob den empörten Stiefvater insFreie und zog sie hastig wieder zu. »Lass ihn einen Schock nach dem anderen verkraften«, bat er. »Gib ihm ein bisschen Zeit.«
Hal Stafford schnaubte. »Er soll sich ja nicht einfallen lassen, respektlos zu seiner Mutter zu sein.«
»Ich fürchte, das wird sie aushalten müssen. Aber wenn irgendwer das Wunder vollbringen kann, ihn zu versöhnen, dann Megan.«
»Wenn er sie kränkt, kann er was erleben«, drohte Hal.
»Wenn du ihn anrührst, kannst du was erleben«, gab Julian zurück.
Hal starrte ihn betroffen an. »Was ist in dich gefahren, um Himmels willen? Tudor oder nicht Tudor – er ist ein ungehöriger Bengel, und er hat kein Recht, seiner Mutter irgendetwas vorzuwerfen. Was sie getan hat, hat sie getan, weil sie glaubte, es sei das Beste für ihn.«
»Nein, Hal.« Julian schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Sie hat es getan, weil sie glaubte, dass Gott es so wollte.«
Nach einer halben Stunde wurde es Hal Stafford zu frisch. Er verabschiedete sich verdrossen und verschwand mit unbekanntem Ziel. Julian war erleichtert, postierte sich vor der Tür, um zu gewährleisten, dass Mutter und Sohn ungestört blieben, betete und fror.
Er wartete über drei Stunden. Erst als die Vesperglocke läutete, öffnete sich die Tür des Gästehauses, und Megan trat ins Freie – am Arm ihres Sohnes. Julian traute seinen Augen kaum.
Megan blieb vor ihm stehen. »Ich bin dir so dankbar, Julian, dass du mir meinen Henry gebracht hast. Das war das schönste Geschenk, das du mir machen konntest.«
»Und wie ich merke, hattet ihr euch eine Menge zu sagen«, erwiderte Julian trocken und wischte sich unfein mit dem Ärmel über die Nase.
»Hast du etwa gefroren?«, fragte Richmond.
»Sag mir, ob ich noch Füße habe, denn ich spür sie seit Stunden nicht mehr«, antwortete Julian.
»Gut.« Richmonds Befriedigung war unüberhörbar, aber er lachte dabei – ein unbeschwertes Jungenlachen, und in seinen Augen lag ein Glanz, den Julian dort selten gesehen hatte.
»Möchtest du deine Mutter zur Vesper begleiten, oder wollen wir zurückreiten?«, fragte Julian.
»Lass uns lieber aufbrechen. Die yorkistische Königin ist hier mit ihren Bälgern im Asyl, hab ich eben erfahren.«
Julian nickte unverbindlich.
Megan warf ihm einen amüsierten, geradezu schelmischen Blick zu. Offenbar wusste sie, welche Rolle Julian bei Elizabeths Asylsuche gespielt hatte.
»Und einen Sohn hat sie obendrein auch noch bekommen«, fuhr Richmond fort. Es klang
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