Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Bruders, als sie die Halle betrat.
Vor Julian stand ein junger Mann, dem man auf einen Blick ansah, dass er ein Neville war, und er hatte trotzig die Arme vor der Brust verschränkt. Ihr Neffe Roland, schloss Blanche.
»Was ist daran so schwer zu verstehen, Onkel?«, erkundigte er sich.
»Du kannst nicht die Tochter des Sattlers heiraten, du Narr! Ich habe das mehr als einmal verboten!«, schimpfte Julian.
»Tja. Ich hab’s trotzdem getan. Und es gibt nicht besonders viel, was Ihr dagegen unternehmen könntet, oder?«
Julian verpasste ihm eine so gewaltige Ohrfeige, dass Roland einen Schritt zur Seite wankte.
Aus der dunkelsten Ecke des Raums kam ein Wimmern. Erst jetzt entdeckte Blanche dort am Boden eine zusammengekauerte Gestalt, einen mageren jungen Kerl in Rolands Alter, der angstvoll von einem Kontrahenten zum anderen schaute.
Roland warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu. »Schon gut, Mel. Alles in Ordnung.« Dann ließ er die Arme sinken und machte einen Schritt auf seinen Onkel zu. »Das solltet Ihr Euch lieber abgewöhnen, Mylord. Aus dem Alter bin ich heraus.«
Julian ging nicht darauf ein. »Diese Ehe wird annulliert«, teilte er Roland mit.
»Meine Frau ist guter Hoffnung«, entgegnete der Jüngere.
Julian hob kurz die Schultern. »Das ist bedauerlich, aber es ändert nichts an meiner Entscheidung.«
»Ihr könnt keine Ehe annullieren lassen, die schon Früchte trägt!« Langsam verlor auch Roland die Fassung.
»Hast du eine Ahnung, Söhnchen. Ich könnte, aber das muss ich noch nicht einmal. Der Earl of Warwick wird keine unfrei geborene Bauerntochter in der Familie dulden und dafür sorgen, dass diese lächerliche Verbindung gelöst wird, ganz gleich, was du tust.«
»Er müsste es niemals erfahren. Er hat sich noch nie für meine Schwestern und mich interessiert.«
»Glaub lieber nicht, ich würde diese Ungeheuerlichkeit decken und es vor ihm verbergen.«
»Julian …«, begann Blanche und trat unsicher näher.
Er fuhr zu ihr herum. »Das geht dich nichts an, Blanche. Warum gehst du nicht hinüber zum Bergfried? Lucas zeigt deinen Kindern die große Halle.«
»Schick mich nicht hinaus wie eine Dienstmagd, sei so gut«, entgegnete sie frostig.
Julian stieß wütend die Luft aus.
Blanche trat zu Roland und lächelte ihm aufmunternd zu. »Ich bin deine unmögliche, missratene Tante Blanche, Roland.«
Er verneigte sich mit einem schiefen Lächeln. »Wir müssen sehr nah verwandt sein, Madam.«
Sie biss sich auf die Lippen. »Tröstlich, wenn man feststellt, dass man nicht der Einzige ist, nicht wahr?«
»Blanche, was soll das?«, grollte Julian. »Du fällst mir in einer Sache in den Rücken, die du nicht überblicken kannst.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, was daran so kompliziert sein soll. Er hat unter seinem Stand geheiratet. Na und? Wenn es ihn nicht stört, warum solltest du Anstoß daran nehmen? Es ist doch sein Leben.«
»Mir scheint, du hast zu viel in Richmonds neuen Bücherngelesen«, gab er zurück und wandte sich wieder an den Übeltäter. »Also: Du hast eine Woche Zeit, sie irgendwohin zu bringen, wo sie in aller Stille ihr Balg bekommen kann. Und sobald die Annullierung über die Bühne ist, heiratest du Lady Helen of Rochester, wie vereinbart war.«
»Das werde ich nicht tun, Onkel«, teilte Roland ihm mit.
»Du wirst mir gehorchen oder Waringham verlassen.«
»Ihr könnt mich nicht wegjagen.«
»Das wirst du ja sehen.«
»Ich bin rechtmäßiger Eigentümer der Hälfte Eures Gestüts, Mylord.«
Julian und Blanche starrten ihn an, beide einen Moment sprachlos. Dann wechselten sie einen verständnislosen Blick.
Schließlich wandte Julian sich wieder an seinen einstigen Knappen. »Du bist was?«
Roland sah zu Boden und seufzte. »Ich hätte es Euch lieber schonender beigebracht. Aber Ihr wolltet mir ja nicht zuhören, nachdem ich meine Merle erwähnt habe.«
Beim Klang des bäurischen Namens zuckte Julians Mund, aber er fragte lediglich: »Was wolltest du mir schonend beibringen?«
Roland brauchte einen Moment, um seinen Mut zu sammeln. Dann sah er ihm wieder in die Augen und antwortete: »Geoffrey ist fort, Mylord. Er … Ich habe ihm seinen Anteil am Gestüt abgekauft. Er hat mich darum gebeten.«
Julian sank auf einen der schweren gepolsterten Sessel am Tisch, als seien seine Knie plötzlich weich. »Geoffrey hat sich den Yorkisten angeschlossen?«, fragte er. Es klang fast tonlos.
Blanche zog erschrocken die Luft ein.
Roland nickte
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