Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
bekümmert. »Ihr könnt Euch sicher vorstellen, dass ich alles getan habe, um ihm das auszureden. Aber er war fest entschlossen. Er hat gesagt, er wolle Euch nicht wiedersehen, da das nur in Bitterkeit und Blutvergießen enden könne, und dafür schätze er Euch zu sehr. Aber sein Gewissen lasse ihm keine andere Wahl, sagte er.«
»Sein Gewissen «, schnaubte Julian verächtlich. »Er warklug, sich zu verdrücken, eh ich nach Hause kam. Wann ist er gegangen?«
»Im November. Ich nehme an, er ist nach Burgund gesegelt, um sich Edward und den Seinen dort anzuschließen.«
»Und statt mir einen Boten zu schicken und mich vorzuwarnen, hast du ihn ziehen lassen, ja?«
»Was sollte ich tun?«, konterte Roland. »Ihn erschlagen?«
Julian antwortete nicht. »Woher hattest du das Geld?«, fragte er stattdessen.
»Ich habe eins meiner Güter in Lincolnshire verkauft. Ich bin … ein wohlhabender Mann, Onkel.«
»Ja, ich weiß. Und deine Mutter? Was hat sie zu alldem gesagt? Zu der Art und Weise, wie du Kapital aus Geoffreys Verrat geschlagen hast, und zu deiner unerhörten Heirat?«
»Nichts. Sie war nicht entzückt. Vor allem, weil sie fürchtete, dass es zu einer Szene wie dieser hier kommen würde. Aber sie hat das Gleiche gesagt wie Lady Blanche. Und es stimmt, wisst Ihr. Es ist mein Leben. Und für Geoffrey gilt das Gleiche. Er ist seinem Gewissen gefolgt, genau wie Ihr es tut.«
Julian ließ krachend die Faust auf den Tisch niederfahren. »Er ist unser Cousin und somit nicht nur ein Verräter an seinem rechtmäßigen König, sondern an seinem eigenen Blut!«
Der junge Mann in der Ecke verschränkte die Arme über dem Kopf und wimmerte wieder.
»Julian …«, sagte Blanche leise. »Du machst ihm Angst.«
»Wieso ist er überhaupt hier?«, fragte ihr Bruder ungehalten. »Kannst du keinen Schritt mehr ohne den Schwachkopf tun, Roland?«
Roland ging zu seinem Freund, nahm seine Hand und zog ihn auf die Füße. »Geh runter in den Hof, Mel. Warte im Pferdestall auf mich. Es ist alles in Ordnung, ehrlich.«
Aber sobald er ihn losließ, sank Melvin wieder in seiner Ecke auf den Boden, vergrub den Kopf in den Armen und weinte leise.
Der Anblick brachte Julian zur Besinnung. Blanche wusste, warum. Melvins schiere Existenz erinnerte jeden Waringhaman die Sünden und die abscheulichen Geheimnisse seiner eigenen Familie, und das machte es sehr viel schwerer, andere für ihre Missetaten zu verurteilen.
»Adam ist auch gegangen, Mylord«, sagte Roland.
»Adam?«, wiederholte Julian. »Zu den Yorkisten ?«
Roland nickte. »Er sagt, ohne Edwards Wollpolitik hätte er es nie so weit bringen können.«
»Ja, und ohne mein Land erst recht nicht«, knurrte Julian.
»Er glaubt, ohne Burgund wird der englische Wollmarkt zusammenbrechen, und darum müsse er sich der Sache der Yorkisten anschließen.«
»Nun, er wird nicht zu Wohlstand und Ansehen zurückkehren, sollte er sich hier je wieder blicken lassen, sondern nur zu einem wartenden Strick. Ich werd ihn enteignen.«
»Damit hat er gerechnet. Aber er gehört inzwischen zu den größten Schafzüchtern in Kent, wisst Ihr«, erklärte Roland behutsam. »Er hat seine Herden von Sevenelms bis Rochester verpachtet und ist … auf Euer bisschen Land nicht angewiesen.«
»Na dann. Möge er mit seinen Herden zur Hölle fahren.« Julian ruckte das Kinn in Melvins Ecke. »Was macht der Bengel dann noch hier?«
»Er lebt bei mir. Bessy, Adams Frau, ist aus Angst vor Euch mit ihren Kindern zu ihrer Familie nach Sevenelms zurückgekehrt, und sie hatte nie viel für Melvin übrig. Sie wollte ihn nicht mitnehmen. Also hab ich ihn zu mir genommen. Ich hoffe … Mylord, ich hoffe sehr, dass Ihr ihn nicht für den Verrat seines Bruders büßen lasst.«
Julian stand abrupt auf und ging zur Tür. »Das überleg ich mir noch«, beschied er über die Schulter, ging hinaus, und die Tür fiel krachend zu.
Melvin wimmerte.
Julian war außer sich. Ein halbes Jahr war er aus Waringham fort gewesen, und nun musste er feststellen, dass nichts mehr so war wie vorher. Geoffreys und Adams Seitenwechsel kränktenihn zutiefst, erfüllten ihn mit einem gewaltigen Zorn, der umso bitterer war, als niemand mehr hier war, den er hätte büßen lassen können. Geoffrey und Adam hatten sich davongeschlichen, kaum dass er Waringham den Rücken gekehrt hatte. Sie hatten nicht nur das Haus Lancaster und den rechtmäßigen König verraten, sondern vor allem Julian selbst. Er glaubte nicht, dass er das
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