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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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stand auf, trat mit dem Weinbecher in der Hand an das schmale Fenster und schaute auf den vorgebauten St. Thomas Tower hinab.
    »Kein schöner Anblick, was?«, sagte Lucas in seinem Rücken. »Ganz gleich, wohin man hier schaut, man sieht nichts als Mauern, Türme und Gräben. Ich schätze, hier kommt keiner raus, den sie nicht laufen lassen.«
    Mortimer zeigte unfein mit dem Finger auf Julian. »Sein Großvater und sein Onkel sind mal aus dem Tower geflohen.«
    Lucas fiel aus allen Wolken. »Ist das wahr? Wie?«
    Der Knappe hob die Schultern. »Keine Ahnung.«
    »Julian?«, fragte Lucas.
    »Durch einen geheimen Tunnel und eine winzige Ausfallpforte in der äußeren Ringmauer«, antwortete Julian, ohne sich zu ihnen umzuwenden.
    »Da hol mich doch der Teufel«, murmelte Lucas. »Wie kommt es, dass nicht jeder Londoner von dieser Pforte und dem Tunnel weiß?«
    »Ich glaube, sie sind eigentlich ein Geheimnis der königlichen Familie.«
    »Nun, du hast keine Veranlassung, die Geheimnisse der derzeitigen königlichen Familie zu schützen, nicht wahr?«
    »Da hast du verdammt Recht«, stimmte Julian zu, wandte den Kopf und zeigte zumindest ein mattes Lächeln. »Aber davon abgesehen, ist es durchaus möglich, dass der Gang längst eingestürzt und die Pforte zugemauert ist. Das ist ja alles Ewigkeiten her.«
    »Und weißt du, wo der Eingang zu diesem Tunnel war oder ist?«
    »Im Keller des White Tower.«
    Lucas seufzte. »Tja. Zu dumm. Trotzdem. Wir haben todsicher bessere Chancen, in den Keller des White Tower zu kommen, als über zwei Mauern und einen Graben.«
    Julian war anderer Ansicht, aber das sagte er nicht.
    »Bevor wir uns mit wilden Fluchtplänen befassen, sollten wir überlegen, wo wir überhaupt hinkönnen«, warf Mortimer ein.
    Lucas zog verwundert die Augenbrauen hoch und fuhr dem Knappen unsanft über den Schopf. »Hör sich das einer an. Unser stiller Mortimer wird plötzlich ein Flegel und mischt sich in die Unterhaltung erwachsener Männer. Das erleichtert mich, Bübchen, ehrlich.«
    Grinsend bog der Knappe den Kopf weg. »Ich hoffe, Ihr könnt mir verzeihen, Sir Lucas. Und zugeben, dass ich Recht habe.«
    »Du hast absolut Unrecht«, teilte Lucas ihm freundschaftlichmit. »Ein zahmes Vögelchen bleibt vielleicht lieber im Käfig, als es ohne ein sicheres Plätzchen draußen in der rauen Welt zu versuchen, aber bei Männern ist das anders.« Er wandte sich an Julian. »Oder?«
    Julian nickte. Dennoch war Mortimers Einwand durchaus berechtigt, wusste er. Wenn sie flohen – immer vorausgesetzt, dass es ihm gelang, dieses viel gerühmte Kunststück seines Großvaters zu wiederholen –, würden die Yorkisten sie jagen. Gnadenlos. Sie würden jeden bestrafen, der ihnen Unterschlupf bot, und sie würden die Flüchtlinge büßen lassen, sollten sie diese wieder einfangen.
    »Wie wär’s, wenn ihr eine Partie Schach spielt, Gentlemen«, schlug er vor.
    »Wozu?«, fragte Lucas argwöhnisch. Er hatte nicht viel mehr für das Schachspiel übrig als Julian.
    »Es hätte zur Folge, dass du mal für eine halbe Stunde den Mund hältst, und ich könnte in Ruhe ein bisschen nachdenken.«
     
    Aber er kam nicht dazu. Kaum hatte Mortimer Lucas den ersten Bauern abgenommen, öffnete sich die Tür, und eine Wache steckte den behelmten Kopf hindurch. »Mitkommen, Waringham.«
    Julian stand auf, fragte aber: »Wohin?«
    »Ihr habt Besuch.«
    »Tatsächlich? Und ich dachte, der König hätte das ausdrücklich verboten.«
    »Ausnahme«, brummte der Mann und wich seinem Blick aus.
    Julian sah kurz zu Lucas und Mortimer. Furcht stand in ihren Augen. Sie glaubten genau wie er, dass der Mann log. Julian lächelte ihnen zu, strich sein Surkot glatt, so gut es ging, und schnürte den Halsausschnitt ordentlich zu. Wo immer die Reise hingehen sollte, er wollte nicht als verlotterter Gefangener, sondern als Waringham dort ankommen.
    Er trat in den Vorraum hinaus, und zwei Wachen flankiertenihn zur Treppe. Weil die Stiege so eng war, mussten sie hinter ihm gehen. Einer legte ihm schwer die Hand auf die Schulter.
    Julian versuchte, sich für eine neuerliche, schaurige Begegnung mit Gloucester oder einem seiner Schergen zu wappnen, doch die Wachen brachten ihn nur ins Freie und zu der kleinen Birkengruppe, die in dem Winkel zwischen Süd- und Westmauer wuchs und das einzige Grün in dieser grimmigen Festung darstellte. Auf einer Bank im Schatten saß eine zierliche junge Frau.
    »Lady Anne?« Julian fegte beiläufig die Hand von seiner

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