Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Christopher, Bruder …« Er streifte den betenden Franziskaner nur mit einem flüchtigen Blick. »Ich bedaure, Eure Einkehr zu stören.«
»Was ist denn geschehen, mein Lieber?«, fragte Megan.
»Ein Bote kam vorhin aus Northampton«, berichtete ihr Gemahl. »Gloucester und der Duke of Buckingham haben den Prince of Wales auf dem Weg nach Süden abgefangen und dessen Onkel, Earl Rivers, verhaftet.«
Obwohl es sie sichtlich Mühe kostete, stand Megan auf. »Richard of Gloucester hat den Bruder der Königin verhaftet?«, wiederholte sie ungläubig. »Mit welchem Recht? Aus welchem Grund?«
»Er behauptet, Rivers habe ein Komplott gegen den Prinzen geschmiedet.«
»Und glaubst du das?«
Stanley hob vielsagend die Schultern. »Es ist fast unvorstellbar. Earl Rivers war dem Jungen seit Jahren so etwas wie Vater und Mutter in einer Person, nicht wahr? Aber ich habe auch keinen Grund, Gloucesters Wort anzuzweifeln. Er hat seinem Bruder, dem König, jahrelang aufopferungsvoll und selbstlos gedient, und ich schätze, genauso dient er nun dessen Sohn.«
Julian erstickte fast an der Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag.
»Doch die Königin hat offenbar Zweifel an Gloucesters Motiven«, fuhr Stanley fort. »Sie ist in Westminster Abbey ins Asyl gegangen, Megan. Mit ihren Töchtern und ihrem jüngeren Sohn, dem kleinen Duke of York. Sie war völlig kopflos. In Panik, um die Wahrheit zu sagen. Und weil ihre großen Kleidertruhen nicht durch die Verbindungspforte passten, hat sie der Wache befohlen, ein Loch in die Mauer zu stemmen.«
»Nicht zu kopflos, um an ihre kostbare Garderobe zu denken«, murmelte Megan nicht ganz ohne Spott, doch dann fügte sie hinzu: »Arme Elizabeth. Wünschst du, dass ich nach ihr und ihren Kindern sehe?«
»Das wäre ein Segen«, gestand er erleichtert. »Ich muss zurück in den Palast. Der Kronrat ist in heller Aufregung.«
»Dann überlass die Königin mir«, erbot Megan beschwichtigend.
Aus dem Augenwinkel sah Julian, wie Stanley ihr dankbar beide Hände küsste. Dann eilte der Steward des königlichen Haushalts wieder hinaus.
Julian stand von der Gebetsbank auf, verschränkte die Arme und fragte: »Woher deine plötzliche Sorge um die yorkistische Königin?«
»Meine Sorge um Elizabeth kommt keineswegs plötzlich, Cousin«, gab Megan ein wenig spitz zurück. »Die letzten Jahre waren sehr bitter für sie. Edward hat es an jeglicher Diskretion mangeln lassen und sie mit seinen Schamlosigkeiten zum Gespött gemacht. Eine betrogene Königin hat nicht viele Freunde, weißt du.«
»Aber sie hatte dich«, erwiderte er mit einem Lächeln.
»So ist es«, bestätigte Megan. »Und wie der Zufall es wollte, habe ich bei unseren vertraulichen Gesprächen von Mutter zu Mutter hin und wieder Gelegenheit gefunden, bei Elizabeth für eine Ehe zwischen meinem Sohn und ihrer Tochter zu werben.«
Julian brach in Gelächter aus und presste hastig den Ärmel seiner rauen Wollkutte vor den Mund. »Wärst du nicht meinebeinah heilige Cousine Megan Beaufort, käme ich kaum umhin, dich ein durchtriebenes Luder zu nennen.«
Am vierten Mai zog Richard of Gloucester mit dem zwölfjährigen Prince of Wales in London ein, begleitet von seinem neuen Gefolgsmann, dem Duke of Buckingham. Sie brachten den jungen Erben des yorkistischen Throns mit einigem Pomp zum Tower, wo er nach alter Tradition bis zu seiner Krönung residieren sollte.
Schon am nächsten Tag trat der Kronrat zu einer Sitzung zusammen, und niemand war im Mindesten verwundert, als das Gremium Richard of Gloucester in seiner Eigenschaft als Lord Protector mit der Macht ausstattete, »wie ein zweiter König« über die Geschicke des Reiches zu entscheiden, und ihm die Vormundschaft über den Prinzen übertrug. Durch sein rasches Handeln in Northampton hatte Gloucester den Machtkampf mit der Fraktion der Königin praktisch im Handstreich für sich entschieden, und es dauerte nur wenige Tage, bis die neue Regierung ihre Arbeit aufnahm. Janets Bruder Lord Hastings und Megans Gemahl Lord Stanley bildeten mit dem Bischof von Ely zusammen die Stützpfeiler dieser Regierung und nahmen die Vorbereitungen für die Krönung des jungen Edward, die auf Ende Juni festgesetzt worden war, in Angriff. Doch niemanden sah man öfter in Gloucesters Begleitung als den jungen Duke of Buckingham.
Julian verbarg sich derweil in seinem Haus in Farringdon, wo Megan oder Vater Christopher auf dem Ritt von und nach Westminster unauffällig Halt machen konnten,
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