Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
denn es lag auf dem Weg. Er war froh, dass er Alice und Edmund fürs Erste in Waringham gelassen hatte, denn Megan hätte kaum Zeit gehabt, sich Alice zu widmen.
Das Zerwürfnis mit seiner Tochter lastete auf ihm. Dergleichen war er nicht gewöhnt. Da er in den Jahren seit der Geburt seiner Söhne und Töchter meistens im Krieg oder auf See gewesen war, war ihm die scheinbar so dankbare Rolle desGelegenheitsvaters zugefallen. Seine Kinder jubelten, wenn er kam, und weinten, wenn er fortging. In seiner Abwesenheit waren es Janet und in gewisser Weise auch Blanche und Jasper gewesen, die seine Brut großgezogen, die Regeln und Verbote aufgestellt und durchgesetzt hatten – eben all die Dinge taten, mit denen Eltern sich bei ihren Kindern unbeliebt machten. Doch dieses Mal war Julian selbst derjenige gewesen, der eine unpopuläre Entscheidung hatte treffen müssen, und die eisige Zurückweisung, mit der Alice sich rächte, erinnerte ihn an seinen Vater. Julian war niedergeschlagen und ratlos.
»Was fängt man bloß mit einer trotzigen, unglücklich verliebten Achtzehnjährigen an, Megan?«, fragte er seine Cousine, als er mit ihr und Vater Christopher an einem lauen Maiabend in der Halle seines Hauses saß. »Weißt du keinen geeigneten Kandidaten, mit dem wir sie verheiraten könnten?«
»Doch, ein paar fielen mir bestimmt ein. Der Älteste deines Cousins Edward Fitzroy, des Earl of Burton, zum Beispiel. Seine Verlobte, eine de la Pole, ist letzten Winter gestorben. Aber wenn du wirklich meinen Rat willst und nicht nur eine einfache Lösung, dann lass Alice den Sommer in Waringham verbringen, bis sie sich meinen Sohn aus dem Kopf geschlagen und ihren Kummer überwunden hat.«
Julian fiel aus allen Wolken. Er hatte mit keinem Wort erwähnt, wer es war, an den Alice ihr Herz verloren hatte.
Megan sah seine Verblüffung und erklärte: »Richmond hat mir schon vor Monaten davon geschrieben.«
Stellvertretend für seine Tochter fühlte Julian sich gedemütigt. »Ihm entgeht nicht viel, was? Ich hoffe, er hat sich nicht mit seinen Freunden hinter ihrem Rücken über sie lustig gemacht.«
Megan schüttelte den Kopf, nicht empört, aber entschieden. »Ich glaube, das ist nicht seine Art. Es hat ihn bekümmert, sie so unglücklich zu sehen. So groß war seine Besorgnis, dass ich mich sogar für einen Moment gefragt habe, ob er ihre Gefühle nicht vielleicht erwidert. Doch die Frage ist wohl müßig. Er ist entschlossen, Elizabeth of York zu heiraten.«
»Nun, das muss er auch, wenn er hofft, dem Hader zwischen Yorkisten und Lancastrianern je ein Ende zu machen«, räumte Julian seufzend ein. »Wenngleich ich zugeben muss, dass ich ihn gern als Schwiegersohn gehabt hätte.« Er grinste verschämt und senkte den Blick dann auf das Schnitzwerk in seinen Händen: den Rumpf einer Karavelle. Da er im Augenblick zum Müßiggang verurteilt war, hatte er schon eine kleine Flotte beisammen, die auf dem hüfthohen Schrank unter dem Fenster stand.
Freda, die junge Magd, die Anabelle ihm geschickt hatte, kam herein und brachte den Krug mit dem verdünnten Wein, um den er gebeten hatte. Er persönlich hielt keine großen Stücke auf verdünnten Wein, aber es war das Äußerste, wozu Megan sich verführen ließ, und neben ihrer Enthaltsamkeit kam er sich immer schnell wie ein Prasser und Säufer vor, wenn er seinen normalen Ess- und Trinkgewohnheiten folgte.
»Soll ich einschenken, Mylord?«, fragte die junge Frau und hielt den Blick gesenkt.
»Sei so gut.«
Sie holte die guten Glaspokale aus dem Schrank, füllte sie und stellte sie vor den Hausherrn und die Gäste. Dann knickste sie und ging hinaus.
Diese sittsame Scheu war ebenso geheuchelt wie Julians neue Vorliebe für verwässerten Wein: Freda war nicht nur diskret und bekochte ihn vorzüglich, sondern hatte ihm gleich am zweiten oder dritten Abend zu verstehen gegeben, dass sie durchaus gewillt sei, ihm die einsamen Nächte zu versüßen. Wie seit jeher hatten sich seine guten Vorsätze bezüglich ehelicher Treue als nur zu leicht erschütterlich erwiesen. Aber davon sollte Megan freilich nichts ahnen.
Darum schnitzte er eine ungewollte Scharte in den Bug seines Schiffchens, als sie scheinbar unvermittelt bemerkte: »Ich habe gehört, du seiest bei Marguerites Beerdigung gewesen, Julian?«
Er sah nicht auf. »Es war das Einzige, was ich noch für sie tun konnte, nicht wahr?«
»Sie ist gestorben?«, fragte Vater Christopher verwundert.
»Ende August«, antwortete
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