Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Hand auf ihre gelegt, um sie zu wärmen. Megans Schritte waren langsam und offenbar mühselig, aber er gab keinen Kommentar ab.
Es war der erste Tag, da eine Verheißung auf Frühling in der Luft zu liegen schien, und im Schatten der Silberbirke blühten Veilchen im struppigen Gras.
»Wenn es dir hier zu bunt wird, nehme ich dich mit in die Bretagne«, erbot er sich, obwohl er insgeheim zweifelte, dass sie reisen konnte.
Megan schüttelte den Kopf. »Ich würde meinen armen Lord Stanley niemals öffentlich bloßstellen. Er ist so ein guter Mann, weißt du.«
»Ein guter Mann, der Richard, dem Kindermörder, die Wünsche von den Augen abliest.«
»Er tut, was er tun muss, genau wie wir alle«, erwiderte sie streng. »Und darum hast du kein Recht, über ihn zu urteilen.«
Julian neigte das Haupt, um Demut vorzutäuschen und sein Grinsen zu verstecken. Er würde wohl niemals klug werden aus Megans Gefühlen für ihren dritten Gemahl, aber glücklicherweise musste er das ja auch gar nicht.
»Wie lange kannst du bleiben?«, fragte sie.
Er hörte nichts, was Ähnlichkeit mit einem bangen Unterton hatte. Aber er ahnte, dass Megan in Bletsoe einsamer war, als selbst ihr lieb sein konnte. »Zwei, drei Tage vielleicht«, antwortete er, wenngleich es leichtsinnig war.
Megan warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Ich meinte: Bleibst du zum Essen. Du solltest noch heute nach Wales zurückkehren, Julian, du bist hier nicht sicher.«
Er lächelte ihr zu und antwortete nicht.
Der gemächliche Spaziergang hatte sie zur Ruine des Tennishofs geführt, und Julian musste feststellen, dass er der Versuchung nicht widerstehen konnte, einen Blick in die Vergangenheitzu werfen. Also drückte er versuchsweise mit der flachen Hand gegen die Holztür, die sich erstaunlich leicht, wenn auch unter vernehmlichem Quietschen öffnete.
Das einst so penibel gestutzte Gras war so lang wie das im Garten. Das Netz war löchrig und hing in der Mitte schlaff durch. Schwalben hatten in der Galerie ihre Nester gebaut, und die Farbe der Holzwände war abgeblättert. Schweigend schaute Julian sich um.
»Du vermisst Edmund immer noch, nicht wahr?«, hörte er Megan an seiner Seite. »So wie ich. Vor mehr als siebenundzwanzig Jahren ist er von uns gegangen, aber wir vermissen ihn immer noch.«
»Und?«, fragte er und wandte ihr das Gesicht zu. »Macht uns das zu Narren?«
»Dich nicht, aber mich«, antwortete sie. »Gott hat mir einen wunderbaren Sohn geschenkt, um mich über den Verlust hinwegzutrösten, und ich habe zugelassen, dass er fast immer fern von mir war. In jeder Weise.«
»Warum?«, fragte Julian.
Sie hob langsam die Schultern. »Aus Rebellion gegen Gott, nehme ich an. Er sollte sehen, dass ich mich mit einem Ersatz nicht zufriedengebe.«
Julian war schockiert. »Du hast dich niemals gegen Gott aufgelehnt, Megan.«
»Nicht auf den ersten Blick. Aber wenn ich heute zurückschaue, kommt es mir mehr und mehr so vor, als sei das der Grund für alle Entscheidungen gewesen, die ich nach Edmunds Tod getroffen habe. Leider war ich ein dummes Gänschen und nicht in der Lage, mich selbst zu durchschauen. Glücklicherweise ist Gott indes langmütig und voller Gnade, darum hat er mir meinen Sohn gelassen, sodass es noch nicht zu spät ist, meinen Fehler wiedergutzumachen.« Sie zeigte ihr schönes Lächeln und strich Julian sacht über den Arm. »Erzähl mir von ihm. Was geschieht in der fernen Bretagne?«
Julian führte sie aus dem Tennishof, dessen Totenstille ihn bedrückte, und sie machten sich langsam auf den Rückwegzum Haus. »Gutes und weniger Gutes«, antwortete er. »Unser Leben dort hat sich seit der Rebellion so komplett verändert, dass ich es manchmal immer noch nicht fassen kann. Mehr als vierhundert englische Lords und Ritter haben sich Richmond inzwischen angeschlossen, und Herzog François hat uns zähneknirschend eine seiner Burgen zur Verfügung gestellt. Manche der Lords haben ein bisschen Geld mitgebracht oder haben vermögende Freunde in Frankreich, die uns unterstützen. Wir können immer noch keine großen Sprünge machen, aber wir leben nicht mehr wie Bettler.«
»Das ist gut«, sagte sie erleichtert.
Julian nickte. »Vor allem für deinen Sohn. Man kann zusehen, wie er von Tag zu Tag mehr in die Rolle hineinwächst, die ihm zugedacht ist. Die Männer verehren ihn, Engländer und Waliser gleichermaßen. Und er bringt es fertig, die einstigen Yorkisten unter ihnen selbst mit den verbittertsten Lancastrianern
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