Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
wir? Es wird jeden Moment anfangen zu regnen.«
Julian nickte. Er verneigte sich spöttisch in die Richtung, aus der eben Yorks Stimme gekommen war. »Es war ein unvergesslicher, erhellender Abend, Euer Gnaden. Lebt wohl.« Als er sich abwandte, raunte er dem jungen Edward beinah unhörbar ein »Danke« zu, dann war er durch die Tür und lief die Treppe hinab.
Kaum war er unten wieder ins Freie getreten, fing es tatsächlich an zu regnen. Erst hörte er ein paar vereinzelte dicke Tropfen fallen, die Luft nahm diesen rätselhaften, einzigartigen Geruch an, den es nur bei Gewitterregen gibt, und dann öffnete der Himmel seine Schleusen. Noch ehe Julian das Normannentor erreichte, war er bis auf die Haut durchnässt. Er blieb im Torhaus stehen, um das Schlimmste dort abzuwarten, und war alles andere als verwundert, als er Warwick sagen hörte: »Julian … es tut mir leid. Ich habe nicht geahnt, dass er so etwas … Das hab ich wirklich nicht gewollt.«
Julian drehte sich nicht zu ihm um. »Das hast du nach St. Albans auch gesagt. Allmählich nutzt es sich ab.«
»Denkst du nicht, du bist ein wenig ungerecht? Habe ich dir je Anlass gegeben, an meiner Freundschaft zu zweifeln?«
»Nein. Heute Abend war das erste Mal.« Und das erschütterte ihn vielleicht mehr als der Anschlag auf sein Leben. Er sah sich plötzlich gezwungen, nicht nur sein Bild des Duke of York, sondern auch das seines Cousins Warwick, den er immer für seinen Freund und Mentor gehalten hatte, zu überdenken.
»Dann ist dein Vertrauen leicht erschüttert.«
Nun sah Julian ihn doch an. Er war fassungslos. »Was erwartest du? Sie wollten mich umbringen, verflucht noch mal!«
»Unsinn.« Das Gewitter war jetzt genau über ihnen. Unmittelbar nach dem Blitz dröhnte der Donner, und Warwick musste warten, bis dieser verhallt war, ehe er fortfahren konnte: »Er wollte dir einen Schreck einjagen, nichts weiter. Du warst rüde und unverschämt zu ihm, und der Duke of York ist der Unverschämtheit der Lancastrianer überdrüssig. Aber er hätte sie zurückgehalten, wäre Edward nicht gekommen, sei versichert. Er ist ein wirklich ehrenwerter Mann, weißt du.«
Julian schüttelte ungläubig den Kopf. »Er hätte sie nicht zurückgehalten. Und das hast du auch nicht geglaubt. Du machst dir was vor, Richard. Du belügst dich selbst. Das ist … entschuldige, aber das ist erbärmlich.«
»Ach, was weißt du schon, Bengel!«, fuhr Warwick auf. »Ich sage dir, York ist Englands Zukunft!« Er hatte die Stimme jetzt erhoben, ob vor Erregung oder um sich gegen das Prasseln und Grollen Gehör zu verschaffen, war schwer zu sagen. »Und seine einzige Hoffnung. Ich habe meine Wahl getroffen, für York. Aber ich habe ebenso viel Lancasterblut in den Adern wie du, und er wird mir nur dann trauen, wenn ich vorbehaltlos an seiner Seite stehe. Vorbehaltlos , Julian, hast du eigentlich eine Ahnung, was das bedeutet? Es bedeutet Opfer!«
Julian nickte und klopfte ihm tröstend die Schulter. »Nimm’s nicht so tragisch, Richard. Wenn du eins im Überfluss hast, sind es Cousins.«
»Du … Herrgott, du hast mich bis auf die Knochen blamiert, ist dir das eigentlich klar?«
»Blamiert?« Entrüstet schob Julian sich die tropfnassen Haare aus der Stirn. »Was zum Henker soll das heißen? Du hast mich einfach vor ein Fait accompli gestellt, und dann wunderst du dich, dass ich nicht so funktioniere, wie du dir das gedacht hast? Ich bin keine dressierte Maus!« Es donnerte wieder.
»Als wir im Mai miteinander gesprochen haben, warst dugewillt, dich Yorks Sache anzuschließen. Aber du ziehst immer noch vor deinem Vater den Schwanz ein, obwohl er tot ist.« Warwick klang verständnislos und enttäuscht.
»Du hast Recht, ich wollte mich Yorks Sache anschließen. Deiner Sache. Aber ich habe dir gesagt, ich muss darüber nachdenken. Es wäre wirklich besser gewesen, du hättest mit mir gesprochen, ehe du mich einfach zu ihm bringst. Ich … » Das war nicht so einfach zu erklären. »Seit ich Earl of Waringham bin, ist mir die Tradition meiner Familie viel bewusster geworden als früher. Darum habe ich mich mit dieser Entscheidung fürchterlich herumgequält. York hat sie mir heute Abend unerwartet leicht gemacht. Und dafür bin ich ihm fast dankbar. Ich war es ziemlich satt, darüber nachzugrübeln.«
»Sprich nicht so, als wäre es vorbei«, herrschte Warwick ihn an. »Du musst dich besinnen. Du hast gar keine andere Wahl, Julian. Wenn York über England herrscht, wird es
Weitere Kostenlose Bücher