Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
die Brust. Das Knirschen von Stahl auf Stahl kam ihm unglaublich laut vor, es übertönte das Rauschen in seinen Ohren. So fühlt es sich also an, dachte er, als er den Blick seines Gegners brechen sah. Du hast einen Mann getötet und wirst nie erfahren, wer er war. Aber er hielt sich mit dem Gedanken nicht auf und befreite seine Klinge beinah achtlos aus dem Leib des Gefallenen. Warwicks Ausbildung hatte ihn auf diese Stunde perfekt vorbereitet, stellte er fest. Er funktionierte wie ein mechanisches Spielzeug.
Julians Bluttaufe währte kaum eine Stunde. Im flackernden Schein der vielen Fackeln und zunehmenden Brände hatte er Edmund Tudor im Zentrum des Schlachtgetümmels entdeckt und versucht, sich zu ihm durchzukämpfen, um ihm beizustehen. Aus dem gleichen Grund hielten Lucas, Algernon und Frederic sich immer in Julians unmittelbarer Nähe, und so drangen sie alle vier nach und nach ins Innere des Hofs vor. Doch als ein Mann in einer kostbaren Rüstung mit einem roten Greif auf dem Wappenrock sich Edmund zum Kampf stellte, stieß der das Schwert ins zertrampelte Gras.
»Es ist genug«, hörte Julian ihn sagen. »Sir Walter Devereux?«
»Der bin ich, Mylord of Richmond.« Auch Devereux ließ die Waffe sinken und verneigte sich höflich.
Edmund schob das Visier hoch. »Ich begebe mich in Eure Gefangenschaft, Sir Walter, unter der Bedingung, dass Ihr diesem Gemetzel hier ein Ende macht und meinen Männern freien Abzug gewährt.«
Walter Devereux zog den Helm vom Kopf. Die Haare inseiner Stirn waren schweißverklebt. »Wieso glaubt Ihr, Ihr könntet Bedingungen stellen, Mylord? Wie ich es sehe, habt Ihr diese Schlacht und diese Festung verloren.«
»Das bestreite ich nicht«, entgegnete Edmund scheinbar gelassen und legte die Rechte wieder auf den Knauf seines Schwertes, beiläufig, hätte man meinen können. »Die Frage ist, wie hoch der Preis für Euren Sieg sein soll. Noch stehen und atmen ein paar von uns, und wenn Ihr darauf besteht, nehmen wir noch das eine oder andere Dutzend von euch mit ins Jenseits. Euch, zum Beispiel, Sir.« Er lächelte liebenswürdig.
Devereux brummte abschätzig, überlegte einen Augenblick, dann rief er ein paar Befehle über die Schulter, und wenig später erscholl ein Trompetensignal. Das Waffenklirren verstummte. Nur das Knistern der Brände und das Stöhnen der Verwundeten waren noch zu hören.
Ein zweiter, edel gerüsteter Ritter trat hinzu und musterte Edmund mit zufriedener Miene. »Mylord of Richmond«, grüßte er. Es klang höflich, aber ein Hauch von Spott lag in seiner Stimme.
Ein mattes Lächeln huschte über Edmunds Züge und verschwand sofort wieder. »Ich schätze, Förmlichkeiten wären ziemlich lächerlich, Will.«
Sie kennen sich, erkannte Julian ungläubig. Später erfuhr er, dass Edmund Tudor und William Herbert – den alle Welt wegen seines schwarzen Barts »Black Will« nannte – als Knaben Freunde gewesen waren und Seite an Seite den Ritterschlag empfangen hatten. Aber bis zu diesem Moment hatte Edmund das mit keinem Wort angedeutet.
»Sergeant, sorgt dafür, dass die Brände gelöscht werden«, befahl Herbert. »Wir brauchen Carmarthen intakt. Vorratskammern und Weinkeller werden nicht geplündert, aber ihr könnt Wein an eure Männer ausgeben.«
Der Sergeant verschwand mit einem zufriedenen Lächeln.
Devereux wandte sich an einen seiner Männer. Er wies mit dem Finger auf Edmund Tudor. »Bindet ihm die Hände, schafft ihn runter ins Verlies und legt ihn in Ketten.«
Der Soldat trat hinter Edmund und riss ihm grob die Hände auf den Rücken.
»Was fällt Euch ein, Devereux?«, protestierte Julian. »Ihr habt kein Recht …«
Edmund wandte den Kopf in seine Richtung. »Du hältst den Mund«, fuhr er ihn an. »Reite nach Hause und warte dort auf weitere Order. Es besteht keine Veranlassung, dass du dich hier einmischst, hast du verstanden?«
Nein, ganz und gar nicht, dachte Julian. Ihm war klar, dass Edmunds eindringlicher Blick ihm etwas mitteilen wollte, aber er kam nicht dahinter, was es war. Er nickte unsicher.
Der Sergeant fesselte Edmund unnötig grob die Hände, doch der schien es kaum zu bemerken. »Erweise mir eine Gunst und befriedige meine Neugier, Will.«
Herbert grinste flüchtig. »Du willst wissen, wer uns reingelassen hat?«
Edmund nickte. »Man weiß schließlich nie, wie das Schicksal sich wenden mag, und sollte ich eines Tages wieder ein freier Mann sein, wüsste ich doch zu gern, wer der Judas war, damit ich ihm die
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