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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Walther in seiner derzeitigen höhnischen Stimmung vermutete, genügend bezahlt werden, um sicherzustellen, dass ein Sohn den Titel seines Vaters bekam. Und das ging doch wiederum alle an.
    Das Problem war, dass die Menschen in den Schenken vielleicht bereit waren, begeistert Lieder mitzusingen, und begierig, das Neueste zu erfahren, doch bezahlt wurden Spielleute von ihnen jämmerlich. Fürsten dagegen, wenn die Herzöge von Österreich ein Maßstab waren, interessierte vor allem, was andere nicht hatten, um damit protzen zu können. Sie wollten durchaus auch von Minneliedern abgelenkt oder durch Preislieder auf sich selbst erfreut werden, doch um Neuigkeiten zu erfahren, hatten sie ihre Boten und Spitzel. Sie brauchten diese nicht in gereimter Form.
    Er kaute noch an dem Gedanken, als er den Riederwald erreichte. Nachdem er abgesattelt hatte, brachte er Hildegunde im Stall unter und stritt sich mit ein paar Knechten um einen Platz, die darauf beharrten, ihr Graf, Herzog oder Kurfürst sei unendlich würdiger und sein Ross verdiene Besseres, als das Futter mit dem Pferd eines einfachen Ritters zu teilen. Er musste für solche Dinge unbedingt einen Knappen finden, entschied Walther erneut und fragte sich zu Philipp von Schwabens Haushofmeister durch, der wenigstens dankbar für den Bescheid in Sachen Brauttross war und Walther gestattete, bei seinem Herrn vorzusprechen.
    Philipp von Schwaben war dem Familienerbe des roten Stauferhaars entgangen. Das war das Erste, was Walther auffiel, und er war in unangemessener Weise froh darum. Sein zweiter Gedanke war, wie jung der braunhaarige Bruder des Kaisers doch wirkte: Philipp konnte nicht älter als zwanzig sein, und obwohl er sich einen Bart wachsen ließ, wirkte es, als habe sich ein Kind ein paar Schafslocken unter das Kinn geklebt. Doch seine Gesichtszüge waren angenehm regelmäßig; wenn schon nichts anderes sie verband, so würden er und die Byzantinerin auf jeden Fall ein schönes Paar abgeben.
    Walther hatte eigentlich vorgehabt, seine Botschaft abzuliefern, mit einem zarten Hinweis darauf, wie sehr er sich freue, auf der Hochzeit des Herzogs zu singen, doch er entschied, dass nichts besser war als ein drastischer Beweis dafür, warum es sich lohnte, ihm zuzuhören statt den zahlreichen anderen Spielleuten und Sängern, die zweifellos ebenfalls hier sein würden. Es gab ein Lied, an dem er auf dem Weg hierher gefeilt hatte, gehämmert in der Glut seiner Wut auf sich selbst und eine abwesende Frau, geglättet in seinem wiedergefundenen Ehrgeiz, mehr zu sein, besser jedenfalls als jeder andere Sänger. Er würde es ohnehin auf dem Fest nicht vortragen können, weil es nicht bei einer Braut passte, die aus Byzanz kam; warum den Beginn des Liedes nicht jetzt verwenden, um sich bei dem Bruder des Kaisers nicht mit Lautengeklimper, sondern mit dem Klang eines Horns einzuführen?
Rufen sollt Ihr mir »Willkommen!«
Der Euch Neues bringt, bin ich.
Alles, was Ihr sonst vernommen,
War nur Wind; drum fragt jetzt mich.
Doch ich will Entgelt:
Wird der Lohn nur gut,
Und er mir gefällt,
Will ich künden manches, was gar wohl Euch tut.
    Nach den ersten Worten schossen Philipps Augenbrauen in die Höhe, und sein Haushofmeister machte ein empörtes Gesicht, doch der schwäbische Herzog verschränkte nur die Arme ineinander und hörte zu, bis Walther geendet hatte und sich schwungvoll verbeugte.
    »Und ich dachte, Ihr seid gekommen, um meine Braut anzukündigen«, sagte der junge Mann trocken. »Was für ein Jammer, dass mein Bruder nicht hier ist. Er hat früher selbst gedichtet und hätte Eure Darbietung zu würdigen gewusst. Ob Ihr sie allerdings je wieder an seinem Hof wiederholen hättet können, das weiß ich nicht.« Wenn er sprach, wirkte er ein wenig älter; es lag an der Selbstsicherheit in seinem Ton und an dem Funken Belustigung in seinen Augen, die ein paar Fältchen um die Augen legte.
    »Das wäre in der Tat ein Jammer«, sagte Walther, »für mich Unglücksvogel und für den Kaiser, der eines würdigen Sängers beraubt worden wäre.«
    »Unglücksvögel sind gemeinhin Raben, die nur missliebige Dinge krächzen und noch nicht einmal eine schöne Stimme haben«, sinnierte Philipp. Walther mahnte sich, den Herzog von Schwaben nicht zu unterschätzen. Jung oder nicht, er war offenkundig wortgewandt und alles andere als dumm.
    »Nicht doch«, gab er zurück. »Die Stimme der Nachtigall zeigt gleichzeitig den süßesten und traurigsten aller Gesänge, sie kleidet sich

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