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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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nur allzu gerne in Dunkelheit, und sie ist die Sängerin der Nacht schlechthin.«
    »Nachtigallen pflegen allerdings keinen Lohn zu fordern.«
    »Weil ihr Gesang leider verklingt, einmal gesungen nie wieder gehört wird«, sagte Walther. »Wohingegen der eines menschlichen Sängers von vielen Kehlen wiederholt wird, wenn es denn der richtige Gesang ist.«
    Philipp streckte einen Arm aus und winkte ihm, näher zu kommen. »Und was ist der richtige Gesang?«
    Walthers Herz pochte. Nun kam es darauf an, dass er alles, was er gehört hatte, richtig zusammensetzte, und dass man Menschen auch dann wie Instrumente spielen konnte, wenn man ihnen nicht Gewalt, sondern Zustimmung entlocken wollte.
    »Das kommt auf die Gelegenheit an. Bei einer Hochzeit zum Beispiel sollten die Gäste guter Stimmung sein und der Familie des Bräutigams wohlwollen. Manchmal sind sie jedoch von widerspenstigen Sorgen geplagt, und da wäre es gar nicht gut, wenn sie ihr Hochzeitsgeschenk in Gestalt eines Eides abliefern sollen. Ein Lied, das sie erinnert, warum es ihnen guttäte, ihr Hochzeitsgeschenk gerne zu geben …« Er breitete beide Arme aus und drehte die Hände vielsagend nach oben, doch Philipp sah noch nicht überzeugt drein. Ein besseres Argument, dachte Walther, ich brauche noch ein besseres Argument! »… wäre gut, doch ein Lied, das Spott und Hohn über ihr Zögern ausgießt, noch besser. Wir werden alle gerne gelobt, Euer Gnaden, doch wir können notfalls auch ohne Schmeichelei leben. Aber wenig fürchtet ein Mann mehr als den Spott anderer Männer.«
    Nun hatte er den jüngsten Sohn Barbarossas geködert wie die Fische in den Wildwasserbächen seiner Kindheit. Zweifel machte Verblüffung Platz, die Verblüffung dem Begreifen dessen, worauf Walther hinauswollte, auch wenn Philipp rasch über seinen kurzen Bart strich mit einer Geste, die wohl seine Gelassenheit betonen sollte.
    »Spottlieder«, murmelte er. »Nun, das ist immerhin ein neuer Gedanke.«
    So neu nun auch nicht, denn Sänger hatten einander bereits des Öfteren verspottet; Walther erinnerte sich an ein paar Verse aquitanischer Troubadoure, in denen die deutsche Sprache als Hundebellen verunglimpft und gefragt wurde, warum die deutschen Sänger sich keiner melodischeren Zunge bemühten; Reinmar, der aus dem Elsass stammte, hatte sich öfter darüber aufgeregt. Aber ganz gleich, ob Kaiser Heinrich nun früher selbst ein paar Minnelieder verfasst hatte oder nicht, sein im Kloster aufgewachsener Bruder wusste offenbar nichts von jenen sängerlichen Spitzfindigkeiten. Außerdem, Fürsten mit Spott zu etwas zu bewegen, was sie eigentlich nicht wollten, das war wirklich neu.
    »Und Ihr meint …«
    »Ich meine, es wäre sehr töricht von den Fürsten, unseren Herrn Kaiser weiterhin von seinem Kreuzzug abzuhalten. Am Ende kehrt er schnell noch nach hier zurück, wenn sie ihm seinen Willen nicht geben, und überdenkt, wem welches Lehen zugeteilt ist, während sie noch wie Krämer versuchen, ein Entgelt dafür zu bekommen, dass sie seinen Sohn zum König und seinem Nachfolger machen. Aber das sind Meinungen, Euer Gnaden, und bloße Prosa; es könnten Verse werden, die sticheln und stechen an den richtigen Stellen. Dann werdet Ihr bald derjenige sein, der zuletzt lacht.«
    Nun war es der Haushofmeister hinter Philipps Rücken, der erst begreifend und dann geradezu begeistert dreinschaute. Er hatte bestimmt die Ausgaben im Kopf, die dafür geplant waren, um die Fürsten zu überzeugen, Heinrichs Sohn zum König zu machen und dann den Lehnseid zu leisten. Die Möglichkeit, durch einen Gesang zu sparen, musste ihm gefallen.
    »Aber wer sagt uns«, fragte Philipp gedehnt, »dass Eure Verse nicht echolos verklingen? Dass Ihr wirklich eine Nachtigall seid und kein Rohrspatz, auf dessen Lieder niemand hört?«
    Walther schluckte einen Scherz über Spatzen hinunter, die man nicht unterschätzen sollte. Jetzt war nicht die Zeit dafür. Der Herzog brauchte nur noch einen Anstoß.
    »Ich sage das, und ich habe es gesagt, gerade vorhin. Haben Euer Gnaden je zuvor von einem Sänger solche Verse gehört?«
    »Ihr meint doch nicht ernsthaft, dass es nicht bessere, edlere Lieder gibt«, sagte der Herzog ungläubig.
    Walther setzte alles auf einen Wurf. »Von edel war nicht die Rede, Euer Gnaden, sondern von neu und hilfreich.« Er lächelte. »Und der, der Euch Neues bringt, bin ich.«
    Er hatte diesen Satz vor Jahren schon zu Friedrich gesagt, und zum Teufel mit dem Anlass und der Frau, die

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