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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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bedeutsam.
    Der Herzog stemmte sich auf seinen Armen etwas höher, um Wolfger besser in die Augen sehen zu können.
    »Vertraut Ihr Eurem Bastard nicht?«, fragte er höhnisch und schaute zu dem jungen Mann, der schräg hinter dem Bischof stand.
    »Der Sohn meiner verstorbenen Gemahlin«, sagte der Bischof eisig, »die ich in Ehren bestattet habe, ehe ich in den geistlichen Stand trat, genießt mein Vertrauen. Ich hatte an Eure Dienerschaft gedacht.«

    Kurz darauf fand sich Walther gemeinsam mit den restlichen Dienern und Höflingen und zu seiner Überraschung auch mit den beiden Söhnen des Herzogs sowie dem Sohn des Bischofs vor der Tür des Gemaches wieder, in dem Vorzimmer, wo sonst die Knappen schliefen. Während sich alle um die Herzogssöhne scharten, fragte sich Walther, ob Reinmar und er sich nicht entfernen sollten. Seine Müdigkeit war völlig verflogen. Ob es nun das Echo des Gefühls war, mit einem Lied wenigstens für einen Augenblick die Natur bezwungen zu haben, oder die reine Neugier darauf, ob der Herzog vom Bann erlöst werden würde oder nicht, war ihm nicht klar. Ganz zu schweigen von der Neugier, wo der Rest des englischen Silbers geblieben war, wenn sich der Bischof so sicher gab, dass es am Hof zu Wien noch vorhanden sein musste.
    Friedrich, des Herzogs ältester Sohn, wandte sich an Reinmar: »Euer Schüler macht Euch Ehre.«
    »Danke, Euer Gnaden«, murmelte Reinmar, der nicht sehr begeistert über dieses Lob wirkte.
    »Mein Vater«, fuhr Friedrich fort, »wird wohl keinen Schlaf mehr in dieser Nacht finden in seinem Zustand, nicht, bis der Medicus eintrifft. Wenn Seine Gnaden der Bischof seine Unterredung beendet hat, sollte daher weiterhin für Ablenkung gesorgt sein. Ihr selbst seid, mit Verlaub, nicht mehr der Jüngste, doch Euer Schüler mag bleiben. Wie war noch Euer Name?«, schloss er, nun an Walther gewandt.
    Gekränkt zu sein, weil er dem Herzogssohn noch nicht früher aufgefallen war, lohnte sich nicht. Außerdem hatte Walther die letzten zwei Jahre damit verbracht, so viel wie möglich von Reinmar zu lernen; zu viel vielleicht? Wenn er nur wie dessen Echo klang, dann war es kein Wunder, wenn keiner der hohen Herren sich die Mühe machte, sich seinen Namen einzuprägen.
    »Bis man mich die Nachtigall von Wien nennt, wird es Walther von der Vogelweide tun, Euer Gnaden.«
    Er konnte den missbilligenden Blick Reinmars fühlen, obwohl er jetzt in Friedrichs Richtung schaute. Es war leicht, zu erraten, was sein Lehrmeister dachte: dass man einen solchen scherzenden Tonfall nicht gegenüber einem hohen Herrn anschlug, auch nicht gegenüber einem Sohn, dessen Vater gerade um den Preis für sein Seelenheil rang. Aber Reinmar hatte bereits alles erreicht, was er in seinem Leben erreichen wollte. Wenn Walther immer nur getan hätte, was sich ziemte und was auf aller Leute Gefühl Rücksicht nahm, dann wäre er jetzt noch in jenem Nest in Tirol, wo sich die Füchse und Hasen gute Nacht sagten und eine Familie von dem, was bei einem einzigen Festmahl des Herzogs auf die Tische in der großen Halle kam, ein gutes Jahr leben könnte. Nein, er wollte mehr.
    Der junge Leopold und der Sohn des Bischofs, die gerade noch höfliche Konversation betrieben und Walther nicht beachtet hatten, hoben beide die Augenbrauen. Doch auf Friedrich kam es an – und der verschränkte zwar die Arme ineinander, doch klang keineswegs verärgert, als er entgegnete: »Bescheiden seid Ihr also auch? Ein geltungsbedürftiges Gemüt würde sich mit einem Adler vergleichen, doch Ihr, Ihr seht Euch als einen Vogel, der von den Welschen im Süden verspeist wird.« Das war eine Herausforderung, die gleichzeitig bewies, dass Friedrich Humor hatte und nicht so in Sorge um seinen Vater war, dass er sich nicht auch auf andere Dinge konzentrieren konnte.
    »Ein Adler hat Herrscherpflichten über das Vogelreich«, sagte Walther und nahm aus den Augenwinkeln wahr, dass der Spielmann, auf den keiner der Herren achtete, ihm eine spöttische Grimasse schnitt, »und das wäre eine zu hohe Bürde für einen kleinen Vogel wie mich. Aber den Gesang einer Nachtigall vergisst man nie, selbst wenn die Welschen sich daran den Magen verderben. Was ihnen nur recht geschieht; schließlich haben sie uns mit ihren Troubadouren oft genug die Suppe versalzen.«
    Das veranlasste den Bischofssohn, sich einzumischen. »Nur ein neidischer Dreckspatz«, sagte er vernichtend, »könnte etwas gegen den herrlichen, erhabenen Gesang der Troubadoure

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