Das Spiel der Nachtigall
Walther, Ihr habt mir noch immer die Langweile vertrieben, und das würde ich nie geringschätzen«, erwiderte Wolfger. »Aber das ist nicht der einzige Grund, warum ich Euch einen Platz an meiner Seite anbiete, wenn ich das nächste Mal die Alpen überquere. Ihr habt schlechte Erinnerungen, ich weiß, doch ich könnte Euch dort bessere schaffen.«
Noch nie hatte Wolfger erkennen lassen, dass er sich bewusst war, welches Ereignis in Walther den Zorn auf den Papst entflammt hatte. Wolfger war damals in der gleichen Kirche gewesen, hatte die gleichen Worte gehört, aber Walther hatte nie Grund zu der Annahme gehabt, dass sie in dem Bischof von Passau zu innerem Widerspruch geführt hätten. Es sei denn, man zählte den Umstand, dass Wolfger sich nicht offen gegen Philipp wandte.
»Das wäre in der Tat ein Wunder, das eines Heiligen würdig wäre, nicht eines Bischofs.«
»Nun, das Amt des Patriarchen von Aquileja ist das höchste, was ich erstrebe, aber vielleicht lässt sich trotzdem etwas in dieser Richtung bewirken«, sagte Wolfger. »Angenommen, nur angenommen, König Philipp hätte etwas, das er dem Heiligen Vater anbieten könnte, um Seine Heiligkeit dazu zu bringen, den Bann und seine Unterstützung Ottos zu beenden, würde das Euer Herz mit Freude erfüllen oder betrüben? Seid ehrlich.«
Es war eine gute Frage, eine bessere, als Walther erwartet hatte. Er verabscheute den Papst nach wie vor. Doch er war sich auch bewusst, was für einen ungeheuren Unterschied es machen würde, wenn er Philipp statt Otto unterstützen würde. Das würde den Krieg beenden. Nun, nicht sofort, nicht in einer Woche. Otto würde vielleicht noch ein, zwei Monate kämpfen, um sein Gesicht zu wahren, aber dann würde er gewiss versuchen, einen ehrenvollen Frieden mit Philipp zu schließen.
Judith neckte ihn manchmal damit, dass er insgeheim glaube, die Welt stürze sich nur in Fehden, damit Dichter darüber singen konnten, und das gelte auch für Kriege, aber sie meinte es nicht wirklich ernst. Er dachte an Judiths Gesicht, wenn ihr ein weiteres Mal ein Mensch unter den Fingern weggestorben war. Er dachte an die Toten, die er selbst gesehen hatte. Er dachte auch an seine Hoffnungen, durch wohlüberlegte Vorschläge bei Philipp für eine schnellere Beendigung des Kriegs sorgen zu können. Nur, geplündert wurden Burgen und Städte aber Woche für Woche, Monat für Monat, auf beiden Seiten, um so ihren Krieg gegeneinander zu finanzieren. Nichts hatte sich geändert.
»Mir wäre nichts wichtiger als die Aussicht auf Frieden, die ein solches Unterfangen böte«, gab Walther deshalb zurück.
»Mmm. Das freut mich sehr, Herr Walther. Auch wenn Frieden vielleicht das falsche Wort in diesem Zusammenhang ist … aber wisst Ihr, warum man die pax Romana unter Augustus so pries, obwohl das Römische Reich zu diesem Zeitpunkt Krieg mit vielen anderen Völkern führte?«
»Meine Kenntnisse heidnischer Geschichte sind beschränkt, Euer Gnaden.«
»Weil unter Augustus zum ersten Mal seit hundert Jahren in Rom selbst Frieden herrschte«, gab Wolfger zurück. »Weil die Römer, statt einander zu bekämpfen, damit beschäftigt waren, das Reich zu vergrößern und die römische Lebensart in die Welt hinauszutragen. Samt der Heizungen, für die ich noch heute dankbar bin, denn mein Haus in Passau ist eine römische Villa.«
»Ihr kennt doch die Königin mittlerweile recht gut«, platzte Hugo dazwischen. »Wenn sie ein Versprechen gibt, dann wird sie es doch halten, oder? Und gilt das Gleiche für ihre Familie?«
»Hugo«, sagte sein Vater tadelnd, doch auch er schien auf Walthers Antwort zu warten.
Allmählich begann sich in Walther eine ungeheuerliche Vermutung zusammenzusetzen. Er hatte wie der Rest des Hofstaats die Gerüchte gehört, dass Irenes Bruder entkommen oder freigelassen auf dem Weg zu seinem Schwager war. Das war durchaus zu erwarten gewesen, denn Philipp war der einzige mächtige Verwandte, der Alexios verblieben war, und an seinem Hof lebte sich die Verbannung gewiss angenehmer als irgendwo sonst. Doch was Hugo und Bischof Wolfger andeuteten, war etwas völlig anderes.
»Mir ist nichts von einem Wortbruch der Königin bekannt«, erklärte Walther vorsichtig. »Ihrer Familie bin ich nie begegnet. Hattet Ihr denn das Vergnügen?«
»So könnte man sagen«, sagte Wolfger gedehnt. »Doch ehe ich Euch mehr erzähle, wüsste ich gerne, ob Ihr Euch vorstellen könnt, das nächste Jahr an meiner Seite zu verbringen.«
»Vorstellen
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