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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sein, und vielleicht nicht der beste König, doch besser als Otto ist er immer noch. In den Jahren an seinem Hof habe ich ihn nicht einmal einen Menschen zu seinem Vergnügen quälen sehen. Sag das deinem Vater. Er wird verstehen, was ich meine.«
    Zu ihrer Überraschung schüttelte Paul ungeduldig den Kopf. »Nein, das sind alte Geschichten«, antwortete er. »Aber wenn du wirklich glaubst, was du meinst, dann bist du blind. Dein König mag keine groben Scherze treiben, aber er schreckt nicht vor gemeinem Mord zurück.«
    »Philipp und Otto haben beide Blut auf dem Schlachtfeld vergossen. Das weiß ich nur zu gut, denn ich habe eine Menge davon an meinen eigenen Händen. Aber Kriegsknechte in eine Schlacht zu schicken, ist nicht Mord.«
    »Einen hilflosen alten Mann umzubringen, das ist Mord«, gab Paul zurück.
    Judith starrte ihn an. Er ließ ihre Hände nicht los und ähnelte ihren Brüdern mehr denn je, als er sich näher zu ihr beugte und ihr ins Ohr flüsterte. »Er wird seinen Kanzler ermorden lassen. Das hat Vater herausgefunden, und deswegen bin ich hier. Das ist der Mann, dem du dienst, Base.«
    Das konnte nicht stimmen. Gewiss, die Feindseligkeit zwischen Heinz von Kalden und Bischof Konrad von Würzburg hatte dazu geführt, dass der Bischof sein Kanzleramt niedergelegt und angekündigt hatte, er wolle den Winter und das Weihnachtsfest in seinem Bistum verbringen, nicht am Hof des Königs. Gewiss, der Reichshofmarschall hatte offen erklärt, seiner Ansicht nach müsse Konrad irgendeinen Handel mit dem Papst abgeschlossen haben, um sein Bistum bestätigt zu bekommen; warum hätte er sich sonst selbst nach Rom bemüht, statt Boten zu schicken, und warum sollte der Papst ihm erst mit Exkommunikation gedroht und dann das Bistum doch bewilligt haben, obwohl Konrad weiterhin Philipp diente.
    Doch selbst wenn man es von einem völlig distanzierten Standpunkt aus betrachtete und Philipp jede Schlechtigkeit zutraute, war das alles kein Grund, warum er, der ohnehin um jeden Kleriker an seiner Seite kämpfte, sich auf einen Schlag vor aller Welt als Herodes hinstellen sollte, indem er einen Erzbischof umbringen ließ. Was konnte er dabei gewinnen? Nichts. Zu verlieren hatte er nicht nur die wenigen Bischöfe, die auf seiner Seite standen, sondern auch seine Mehrheit unter den Fürsten, denn wenn diese bereit waren, ihn gegen Otto zu unterstützen, weil sie trotz päpstlichen Banns seinen Anspruch für besser als den Ottos hielten, dann würde gewiss ein Teil davon ablassen, wenn Philipp auf einmal als Mörder eines Priesters im Fürstenstand dastand.
    »Das kann nicht sein«, sagte Judith laut. »Ganz gleich, was du und dein Vater von ihm halten, er hat alles zu verlieren und nichts zu gewinnen, wenn er so einen Befehl gibt.«
    Die Pilger drehten sich zu ihr um, mit verwunderten und ungehaltenen Gesichtern wegen der Ruhestörung, und Judith senkte den Kopf. Paul begann hastig, das Paternoster zu beten, das sie inzwischen oft genug gehört hatte, um es zu erkennen. Trotzdem störte es sie ein wenig, es aus dem Mund ihres Vetters zu hören. Er hätte mit dem Schma Israel aufwachsen sollen, dachte sie und schalt sich töricht. Von all den Dingen, die sie ihrem Onkel vorwerfen konnte, war seine Konversion nicht dabei, und seine Kinder waren nie jüdischen Glaubens gewesen.
    »Er wird den Befehl nicht geben müssen«, sagte Paul mit gesenkter Stimme, nachdem er das Gebet beendet hatte. »Heinz von Kalden erledigt schon jahrelang die Drecksarbeit für ihn.«
    »Selbst Heinz von Kalden hat mehr zu verlieren als zu gewinnen. Außerdem wüsste ich nicht, dass er deinen Vater ins Vertrauen zieht, wenn er Mordanschläge plant«, flüsterte sie. Ihr eigener Wortwechsel mit dem Bischof vor zwei Jahren fiel ihr ein, und wie er damals ihre Gedanken, in Sizilien den Regenten abzugeben, ernst genommen hatte. Aber das war nicht geschehen. Er war aus Rom zurückgekehrt, nicht nach Palermo weitergezogen. Der Heilige Vater hatte ihm nicht die Vormundschaft über den jungen Friedrich anvertraut. Selbst, wenn Bischof Konrad in einer schwachen Stunde darüber geseufzt hatte, vielleicht in Gegenwart seines Dienstmanns Botho, und der das dem Reichshofmarschall weitererzählt hatte, dann war es doch nur ein gescheitertes Unterfangen gewesen. Nichts, was Philipp oder Heinz von Kalden bedrohte oder so verletzte, dass sie selbst Mord für besser hielten. »Warum sollte er diese Drecksarbeit erledigen?«, fragte Judith herausfordernd und so

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