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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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noch immer ihre Hände hielt und ihre eigenen Finger sie verrieten, weil sie sich in die der Magistra verhakt hatten, statt sie wegzustoßen.
    »Vor Noahs Taube kam die Sintflut, vergesst das nicht. Und auch eine Nachtigall sollte stets ihr Gedächtnis bemühen, wenn sie nicht als gerupftes Huhn enden will.« Irene richtete ihren Blick auf Walther. »Ich habe mich nie auf die Güte von Kirchenfürsten verlassen; Euren Liedern nach zu schließen, habt Ihr das auch nicht. Sollte Bischof Wolfger sich durch die Nähe des Heiligen Vaters und die Entfernung von deutschen Landen dazu veranlasst sehen, unsere Sache nicht mehr angemessen zu vertreten, so finde ich, dass der König und ich das früher erfahren sollten als durch ein kirchliches Edikt.«
    Sie war sich bewusst, dass auch Walther der gedeckte Tisch am erzbischöflichen Hof näher als ein königliches Versprechen stehen musste. Das gleichzeitig Beunruhigende und Gute an Walther war, dass man sich seiner Treue nie gewiss sein konnte, und das galt für den Bischof gewiss genauso. Walther mochte um der reinen Herausforderung willen Wolfgers Geheimnisse erforschen, oder auch nicht, doch es konnte nicht schaden, ihm den Auftrag zu erteilen.
    »Euer Gnaden, nichts, was ich je hörte, ist meinem Gedächtnis entfallen«, erwiderte Walther und schaute zu der Magistra, was Irene daran erinnerte, dass er nun auch das Geheimnis ihres Bruders kannte. Sie runzelte die Stirn. War das etwa die Andeutung eines Erpressungsversuches? »Da Herr Botho mit uns reist«, fuhr Walther fort, »werdet Ihr sicher verstehen, wenn ich wünsche, so weit wie möglich von ihm entfernt zu reiten. Der Anblick, den er in Würzburg bot, bleibt mir unvergessen; ich glaube nicht, dass sich der Gestank der Blutspritzer so rasch aus seinem Wintermantel entfernen lässt. Meine Hildegunde ist allmählich betagt, und das Pferd, das mich hierhergebracht hat, ist geliehen. Ein neues Ross wäre eine Gabe Gottes«, schloss er mit einem kleinen Lächeln, »und würdig einer höchst gnädigen Königin.«
    »Sehr gnädig«, sagte Irene trocken. »Also gut. Ein Ross für Euch und für die Magistra, denn wie ich mich erinnere, schätzt sie es nicht, die ganze Zeit im Wagen zu reisen. Aber achtet auf meinen Bruder, Magistra. Als mein Bruder trägt er einen Teil meines Herzens mit sich, und damit ist es in Eurer Obhut.« Es war heraus. Sie hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen, denn obwohl sie es sorgsam verkleidet hatte und es stimmte, dass sie sich um Alexios Sorgen machte, hätte sie nicht deutlicher sagen können: Komm zurück zu mir.
    »Ich schütze, was in meiner Obhut ist, Euer Gnaden. Immer.«

Kapitel 32
    B otho von Ravensburg reiste nicht wie die Pilger, mit denen Walther das letzte Mal gen Rom gezogen war. Er war offenbar eingeschüchtert genug, um die Reise zu machen, nachdem eine aufgebrachte Menge die Ravensburg gestürmt und angezündet hatte. Doch man suchte vergebens nach einem Pilgermantel oder gar einer reuigen Haltung. Stattdessen saß er mürrisch auf seinem Pferd, eingehüllt in einen warmen Mantel, Beinkleider und Stiefel. Zuerst wollte er an der Seite Bischof Wolfgers reiten, doch dieser verbot es. So fand er sich bei den Wachen wieder. Walther wollte sich nur vergewissern, dass er weit entfernt vom Wagen mit Alexios und Judith ritt, doch Botho erkannte ihn dabei.
    »Der Vogelwicht! Was zum Teufel habt Ihr hier zu suchen? Habe ich Euch den ganzen Weg nach Rom am Hals?«
    »Ihr meint, bis Euch in Rom der Hals gestreckt oder gekürzt wird? Aber nicht doch. Ich fürchte, Ihr werdet auf meine Gesellschaft dabei verzichten müssen. So unwiderstehlich Eure Liebenswürdigkeit, die christliche Demut und Euer Zartsinn, der sich in jedem Eurer Worte äußert, auch sind, der Patriarch von Aquileja hat zuerst um meine Begleitung gebeten.«
    Es tat gut, zu sehen, wie Botho nach Luft schnappte.
    »Nur aus Neugier«, sagte Walther, »wie viel haben Euch die Kölner vorgestreckt?«
    »Ihr habt gut reden«, zischte Botho. »Ihr habt mich doch auf den Gedanken gebracht mit Eurem Geschwätz von Verräterlisten. Wenn Ihr mich ohnehin des Verrates bezichtigen wolltet, dann konnte ich mir wirklich meine Schulden verringern lassen.«
    Für einen Moment war Walther sprachlos. Damals, als er sich auf der Straße von Würzburg nach Bamberg ob seines Einfallsreichtums beglückwünschte, hatte er nie daran gedacht, dass es irgendwelche Folgen haben könnte, außer sich Botho vom Hals zu schaffen und diesem ein paar

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