Das Spiel der Nachtigall
unangenehme Stunden zu bereiten. Da aber Stefan ihn durchaus ernsthaft wie vergeblich um eine Liste von möglichen Spitzeln an Philipps Hof gebeten hatte, hätte er eigentlich darauf gefasst sein müssen, dass dieser dergleichen auch auf andere Weise bekam.
Dann schüttelte er den Kopf. »Verantwortung für Eure eigenen Taten zu übernehmen ist wirklich nicht Eure Stärke, wie?«
»Ich tat nur, was doch im Grunde alle von mir wollten«, sagte Botho mürrisch. »Nicht nur die Kölner. Mein Onkel und Philipp, die sind doch froh, Konrad los zu sein. Das war’s, was er verdient hatte. Ihr mit Euren Spottliedern auf den Papst solltet der Letzte sein, deswegen Trübsal zu blasen. Außerdem verkauft Ihr Eure Dienste doch auch, wo es Euch passt, also weiß ich nicht, woher Ihr die Stirn nehmt …«
»Oh, wes Brot ich ess, des Lied ich sing, daran besteht kein Zweifel. Aber wenn Ihr den Unterschied zwischen einem Lied, ein paar Auskünften und einem Mord nicht kennt, Herr Botho, dann ist Euch wahrlich nicht zu helfen«, sagte Walther und trieb sein Pferd an, schneller zu laufen.
»Dass die Judenschlampe jetzt mit Euch zusammen ist und nicht mit dem Arschficker, das verdankt Ihr mir!«, rief ihm Botho höhnisch hinterher. »Wo bleibt denn da die Dankbarkeit?«
Einen Herzschlag lang war es Walther, als gefröre etwas in ihm. Was um alles in der Welt meinte Botho damit? Dann sagte er sich, dass es sich nur um eine weitere Dummheit eines törichten Mannes handelte, wohl darauf bezogen, dass er Walther nach Braunschweig mitgenommen hatte, um Judith dort zu finden. Botho ist es nicht wert, weiter über seine Prahlereien nachzudenken, sagte sich Walther und trieb sein Pferd noch schneller voran. Es folgte so gut, dass er Hildegunde und ihre Widerspenstigkeit irgendwie vermisste. Manchmal tat es gut, um sein Fortkommen kämpfen zu müssen, das lenkte ab.
* * *
Die Nachricht über den Tod des ehemaligen Kanzlers war noch vor Paul in Köln eingetroffen. Es gab flammende Reden von allen Kanzeln über Philipp den Gottlosen und seine verruchte Mörderbande, und Gerüchte darüber, wie fast schon Abtrünnige wie der Bischof von Trier es sich noch einmal überlegten und nun wieder treu zu König Otto standen.
Trotzdem fühlte Paul sich elend. Er glaubte an die Sache der Welfen. Er hatte den König schon mehrmals kämpfen sehen, wenn Köln angegriffen wurde, aus der Ferne zwar, aber deutlich genug, um zu wissen, dass Otto vor der Stadt wie jeder andere sein Leben aufs Spiel setzte. Von Philipp hörte man dergleichen nicht. Der zog es vor, sich hinter Heinz von Kalden zu verstecken und diesen Blut für sich vergießen zu lassen. Außerdem hatte Philipp Köln nur Kummer gebracht, Otto die Stadt aber zum Juwel seiner Krone gemacht und sie gegen ihre Angreifer verteidigt. Das allein hätte für Paul entschieden, wer deutscher König sein sollte, selbst wenn seine Freunde nicht ums Leben gekommen wären. Als er von seinem Vater darüber hinaus hörte, wie Jutta sie alle verraten hatte, weckte das Bitternis und Schuldgefühle in ihm, weil er ihr geholfen hatte. Er konnte damals doch nicht ahnen, dass sein Vater, der zu Ottos vertrauten Ratgebern gehören sollte, deswegen ständig aufs Neue seine Treue beweisen musste.
»Und noch schlimmer«, hatte sein Vater kopfschüttelnd hinzugefügt. »Es hat den Erzbischof an meiner Rechtgläubigkeit zweifeln lassen, an meiner und der jedes bekehrten Juden in der Stadt. Man steckt uns eben alle gleich in einen Topf, und das kann gefährlich werden, mein Sohn, dass du es dir gar nicht ausmalen magst und hoffentlich nie zu tun brauchst.«
Es war so ungerecht! Sein Vater hatte nie etwas anderes getan, als das Beste für Köln zu wollen, und hart dafür gearbeitet. Selbst als Kaufmannssohn, dachte Paul, hätte ich Aussicht gehabt, Otto als Knappe zu dienen, wenn nicht Juttas Verrat gewesen wäre. Als Paul von seinem Vater erfuhr, warum sie damals mit Gilles aus Köln fortgelaufen war, traute er seinen Ohren nicht: Seine Base hatte die Gelegenheit ausgeschlagen, die Schutzherrin für die Stadt zu sein, auch für ihre ehemaligen Glaubensbrüder. Paul war ein ehrlicher Christ, doch er war sich sehr bewusst, dass so mancher Kölner nicht an die Bekehrung seines Vaters glaubte und in seiner Familie nach wie vor Juden sah, daher konnte es nur gut sein, wenn auch die Juden eine Fürsprecherin beim König hatten. Aber Jutta war selbstsüchtig, ganz anders als die Frauen in der Bibel. Sie hatte damit bewiesen,
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