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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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gehabt hatte, bereitete ihr eine gewisse Genugtuung.
    Da es nicht mehr notwendig war, Alexios die ganze Zeit Gesellschaft zu leisten, machte sie einen erneuten Besuch bei Francesca und erzählte ihr, dass sie vorhatte, wenigstens ein Jahr in Salerno zu bleiben.
    »Dann wird er dich nicht mit sich nach Byzanz nehmen, dein Kaiserling?«
    »Nein. Ich bin Ärztin, Tia Francesca, und auch ein noch so goldenes Byzanz lässt sich nicht mit Salerno vergleichen.«
    »Du wärest dort aber ein gehöriges Stück näher an Kairo und dem großen Maimonides«, entgegnete Francesca neckend, doch sie versprach, sich für Judith einzusetzen, damit es ihr erneut gestattet wurde, in Salerno zu leben und zu wirken. In ihr altes Haus konnte sie nicht zurückkehren, dort lebte längst eine andere Familie, aber ihre erste eigene Patientin und Freundin, Salvaggia, bot ihr an, bei ihr und ihrem Gatten zu leben, bis sie etwas eigenes fand. Angesichts der Vergewaltigung durch vier deutsche Kriegsknechte, hielt es Judith für angemessen, sie auf Walther vorzubereiten, den sie zumindest zeitweise unter ihrem Dach beherbergen musste.
    »Nun, Judith, ganz überraschend kommt das nicht. Ich habe mir schon gedacht, dass du als Konkubine des Griechen nicht glücklich bist. Wie könntest du, wenn er dich noch nicht einmal als Ärztin zu würdigen weiß?«
    Judith fragte sich, ob sie Salvaggia die Wahrheit anvertrauen sollte, doch entschied, dass ein Versprechen ein Versprechen war und sie Alexios bis zu seinem Verschwinden über den Bosporus den Ruf eines unermüdlichen Liebhabers schuldete. Trotzdem verwirrte sie die letzte Behauptung ihrer alten Freundin. »Wie kommst du darauf, dass er mich als Ärztin nicht zu würdigen weiß?«
    »Würde er sonst statt dir Meir als seinen Leibarzt mit nach Byzanz nehmen?«
    Ein Blitzschlag aus heiterem Himmel hätte Judith nicht mehr überraschen können. Doch nach ein paar Momenten sah sie die komische Seite der Angelegenheit und begann zu lachen, was Salvaggia deutlich irritierte.
    »Nun, ich hoffe, dein Sänger ist verlässlicher«, sagte ihre Freundin, während Judith sich die Lachtränen aus den Augen wischte.
    »Das ist er.« Allerdings machte es sie durchaus unruhig, nichts von Walther zu hören. An und für sich war das nicht neu; in den vergangenen Jahren hatte es Wochen, manchmal Monate gegeben, in denen sie sich an verschiedenen Orten befanden, und es war wirklich nicht leicht, sichere Boten in die richtige Richtung zu finden. Aber es war eben nicht dasselbe, Walther in Wien und Walther in Rom zu wissen. Sie versuchte, sich damit zu beruhigen, dass Bischof Wolfger seinen Sohn liebte, und hielt an dieser Überzeugung fest, bis Hugo sie am Vorabend von Alexios’ Abreise in Richtung Messina aufsuchte und um ein Gespräch bat.
    »Magistra«, sagte er und trat von einem Fuß auf den anderen, »ich habe einen sehr merkwürdigen Brief von meinem Vater erhalten.«
    Ihr war bewusst, dass Wolfger seinem Sohn hätte ausrichten lassen können, er möge sich von ihr fernhalten oder sie gar auf die eine oder andere Art loswerden, doch sie hatte mit Hugos grundsätzlichem Unvermögen gerechnet, seine Gefühle zu verbergen. Da er ihr gegenüber nie ein verändertes Verhalten gezeigt hatte, war sie davon ausgegangen, dass Wolfger ihre stillschweigende Abmachung akzeptiert hatte, bis zu diesem Moment.
    »Wirklich? Ich hoffe, dem ehrwürdigen Bischof fehlt nichts.«
    »Nun ja«, sagte Hugo verlegen. »Es fehlt ihm in der Tat etwas. Er … er arbeitet an einem Schrifttum, das keine theologische Abhandlung ist. Er hat es wohl Walther lesen lassen. Und nun schreibt er, dass Walther versäumt habe, es ihm zurückzugeben. Magistra, er scheint sogar zu glauben, dass Walther seit mindestens drei Wochen hier in Salerno an Eurer Seite weilt, und wünscht sich das Manuskript zurück.«
    Sie hatte mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht damit. Wenn das ein Machtspiel sein sollte, dann verstand sie die Züge nicht. Noch nicht.
    »Ich habe Walther das letzte Mal an der Seite Eures Vaters gesehen, das wisst Ihr, und seither nichts von ihm gehört, obwohl ich ihn natürlich hier erwarte, sobald Euer Vater ihn gehen lässt. Ihr seht mich ratlos«, entgegnete sie, während sie fieberhaft überlegte, was um alles in der Welt diese Wendung der Dinge zu bedeuten hatte. Ihre Stimme klang deshalb auch gepresst und hoch, wie die eines Kindes, nicht wie die einer Frau. Hugo schaute noch unbehaglicher drein.
    »Mein Vater klingt sehr erzürnt

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