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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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wirst.«
    »Ich kenne meinen Eid«, sagte Meir finster.
    »Der gilt, sobald du den Fürsten Alexios untersuchst und als deinen Patienten angenommen hast. Das ist noch nicht geschehen. Vielleicht ist es dir aber lieber, wenn ein anderer, christlicher Arzt das tut.« Auf diese Weise hatte sie es zur Ehrensache für ihn gemacht, zu erscheinen, das wusste sie.
    »Noch nie habe ich auf die Religion geachtet, wenn es um Patienten ging«, sagte Meir gekränkt, »und das weißt du.«

    Obwohl sie ihm geraten hatte, es nicht zu tun, als es nach zwei Tagen endlich so weit war, trank Alexios sich vorher Mut an, so dass er am Ende, zusammen mit den nötigen Betäubungsmitteln, nur noch lallte, als Meir ihm gegenübersaß. Immerhin hatte das den Vorteil, dass Judith sich zutraute, den Byzantiner festzuhalten, und keinen weiteren Mann einweihen musste. Sie drückte Alexios’ Kopf gegen ihre Brust; er murmelte Unverständliches auf Griechisch, während Meir so geschickt wie eh und je seine Nadel führte.
    »Er wird seine Augen zwei Wochen schonen müssen«, sagte Meir anschließend und fügte mit deutlicher Boshaftigkeit auf Hebräisch und daher in der Gewissheit, dass Alexios ihn nicht verstehen würde, hinzu: »Aber der Rest seines Körpers kann weiter tätig sein wie immer. Es sei denn, du bedarfst ebenfalls der Schonung. Oder willst du ihn dadurch gefährden, dass seine Augenbinde verrutschen könnte, wenn er sich auf dir abmüht?«
    »Offenbar hast du es trotz deiner Ehe noch nicht herausgefunden«, gab Judith süß in der Volgare zurück, so dass die beiden Wachen vor Alexios’ Kammer sie verstanden, als sie an ihnen vorbeigingen, »aber es gibt in der Liebe mehr als eine Stellung, die man einnehmen kann.«
    »Du bist eine schamlose Dirne geworden«, grummelte er und verschwand.
    Als Alexios mit einem Kater aufwachte, verfluchte er alle Ärzte und war der festen Überzeugung, blind geworden zu sein. Judith konnte ihn gerade noch daran hindern, sich die Augenbinde vom Gesicht zu reißen. Noch schwerer war es, ihn davon zu überzeugen, dass das mörderische Hämmern in seinem Kopf nur auf den Wein zurückging, den er vor dem Eingriff getrunken hatte, und ganz und gar unmöglich, ihn davon abzuhalten, nach neuem zu brüllen, um seine Schmerzen zu betäuben. Sie ahnte, dass es so die nächsten Tage weitergehen würde, wenn sie nicht etwas unternahm, also schnappte sie sich Hugo.
    »Wenn er sich weiter einen Rausch antrinkt, wird er nie aufhören, Kopfschmerzen zu haben, und er wird sich ganz bestimmt die Binde von den Augen reißen.«
    »Aber was soll ich da …«
    »Ihr werdet ihm keinen Wein mehr bringen lassen. Stattdessen bekommt er Most und in heißem Wasser aufgelöste Melisse, ganz gleich, was er befiehlt. Außerdem brauche ich jemanden, der ihm die Hände fesselt.«
    »Aber – aber er ist der zukünftige …«
    »Das wird er nicht, wenn Ihr nicht genau das tut, was ich sage, so dass Ihr bei Ankunft des Heeres einen gesunden und sehenden Thronanwärter vorführen könnt!«
    »Aber ich …«
    »Herr Hugo, habt Ihr je von mir sagen hören, ich sei eine schlechte Ärztin oder wüsste nicht, was ich täte?«, fragte Judith streng. »Glaubt mir, der erhabene Alexios wird Euch am Ende dankbar sein, und Ihr habt einen Freund im zukünftigen Kaiser von Byzanz. Wenn Ihr dagegen tut, was er will, wird er nicht nur mich und alle Ärzte verfluchen, sondern auch Euch, und Ihr habt einen Feind am Hof der Königin, weil er zeit seines Lebens nirgendwo sonst sein wird als dort.«
    Hugo gab nach. In den nächsten zehn Tagen lernte Judith einige neue Flüche in mehreren Sprachen dazu, doch als sie ihm dann zum ersten Mal vorsichtig die Binde entfernte, nur für kurze Zeit, klang Alexios staunend wie ein Kind, als er flüsterte: »Ich sehe viel klarer, selbst Staubkörner in der Luft tanzen!«
    »Meint Ihr nicht, das sollte man feiern?«, schlug Judith mit einem kleinen Lächeln vor und fing an, leise zu stöhnen. Seine Mundwinkel zuckten, aber er fiel sofort mit ein: »Wer ist der wahre Herkules des Ostens?«
    »Du, mein Kaiser!«, gab sie so inbrünstig wie möglich zurück.
    »Und du bist die schönste Perle unter den Weibern!«

    Alexios fragte, was eine angemessene Belohnung für Meir sei. Judith nannte eine Summe, die deutlich höher als der übliche Preis für einen Starstich lag. Immerhin handelte es sich bei ihm um einen zukünftigen Kaiser, und die Vorstellung, dass Meir ihr den einträglichsten Patienten verdankte, den er je

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