Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
sein Fähnlein in den goldigsten Wind hängte, dann hätte sie ihre Tochter am Ende nie wiedergesehen. Seiner eigenen Tochter war Irene ein-, zweimal auf Hoftagen begegnet, und obwohl diese Jutta von Meißen unleugbar eine schöne und kluge Frau war, konnte man ihre Unzufriedenheit und das Unglück in ihrem Leben förmlich spüren. Nun, bei einem Dietrich von Meißen als Gatten war wohl nichts anderes zu erwarten.
    »Habt Ihr denn schon jemanden Bestimmten für Beatrix im Auge?«, fragte Jutta.
    Irene kämpfte bereits eine Weile mit sich, ob sie der Magistra davon erzählen sollte. Sie würde ihr ohne weiteres das Leben ihrer Kinder anvertrauen, aber ein Geheimnis wie dieses war eine andere Angelegenheit. Es war wie ein wertvolles Stück Land, mit dem man wuchern konnte.
    »Wie steht es eigentlich um Eure eigene Hochzeit?«, fragte sie ablenkend, damit sie noch eine Weile nachdenken konnte. »Ist es nicht allmählich an der Zeit, dass Ihr und Herr Walther den Bund knüpft? Ich bin die Erste, die Sänger für flatterhaft erklärt, aber er ist Euch nach Italien und zurück gefolgt, ohne dass ein Gelöbnis ihn band. Ihr scheint mir auch keinen anderen im Herzen zu tragen. Außerdem wird keiner von uns jünger; es ist ein bitteres Schicksal für eine Frau, allein und unversorgt zu bleiben, und Ihr habt keine Familie.«
    Die Magistra schaute zu Kunigunde und Elisabeth hinüber, die von den Schmetterlingen abließen und nun von ihrer ältesten Schwester forderten, mit ihnen Verstecken zu spielen.
    »Als Eure Leibärztin bin ich nicht unversorgt noch ohne Familie«, gab sie lächelnd zurück. Das war eine der für sie typischen Antworten, mit denen sie nichts anderes sagte, als dass sie nicht über das Thema sprechen wollte. Trotzdem konnte Irene nicht anders, sie musste noch ein wenig nachhaken.
    »Liebt Ihr Herrn Walther, oder liebt Ihr ihn nicht?«
    »Natürlich liebe ich ihn«, sagte die Magistra, ohne zu zögern. »Aber Euer Gnaden, Ihr wisst doch, dass es mir gar nicht freisteht, zu heiraten.«
    Irene machte eine abschätzige Handbewegung. »Es gibt hier zwei Bischöfe, die meinem Gemahl ergeben genug sind, um Eure Ehe für ungültig zu erklären oder Euch zur Witwe. Bei all den Männern, die nicht mehr aus Byz– … aus dem Heiligen Land zurückkehrten, haben sie ohnehin Übung darin.«
    »Das würdet Ihr für mich tun?« Weil Irene uneins mit sich selbst über andere Dinge war und sich mit den Sorgen ihrer Ärztin ablenken wollte, nickte sie, ohne zu bedenken, dass auch die Magistra ihre Hintergedanken bei diesem Gespräch haben könnte. »Das ist sehr großzügig von Euch, Euer Gnaden. Dann seid Ihr doch gewiss auch bereit, unseren erhabenen König zu bitten, Herrn Walther ein Lehen zu gewähren. Wie Ihr richtig sagt, wird keiner von uns jünger, und wenn wir tatsächlich in den heiligen Stand der Ehe eintreten und eine Familie gründen wollen, dann wäre nichts hilfreicher als ein Stück Land, von dem ein festes Einkommen zu erwarten ist.«
    In ihrem Leben als Kaisertochter in Byzanz, als Mitglied der königlichen Familie von Sizilien und als Königin der Deutschen hatte Irene mit zahllosen Bittstellern zu tun gehabt. Manche waren plump, manche ungeheuer geschickt, und das, worum sie baten, konnte alles sein von einem Goldstück bis zu der Begnadigung eines zum Tode Verurteilten, von der Erlaubnis, sich vom Hof zu entfernen, bis zu einer Grafschaft oder gar einem Herzogtum. Trotzdem: Was die Magistra gerade getan hatte, ließ Irene ungläubig auflachen, weil es so gut und treffend eingeleitet worden war, dass ihr fast nichts anderes übrigblieb, als ja zu sagen. »Ihr habt von Herrn Walther zu gut gelernt, mit Worten umzugehen«, gab Irene zurück, zu gleichen Teilen belustigt, bewundernd und verärgert, denn es war nicht das beruhigendste Gefühl, so durchschaubar zu sein, dass ein Gespräch von Menschen, die sie mochte und denen sie vertraute, in eine bestimmte Richtung gelenkt werden konnte, auf die sie nicht vorbereitet war.
    »Wir halten einander in Übung«, sagte die Magistra und schenkte ihr ein hoffnungsvolles kleines Lächeln.
    Wenn man von den Sprösslingen einflussreicher Familien einmal absah, gab es Lehen für verdiente Kämpfer, so wie es Pfründe für hilfreiche Angehörige des Klerus gab. Herr Walther gehörte weder zu den einen noch den anderen. Natürlich war es alte Tradition, Sängern einen Platz bei Hofe anzubieten, doch das, was die Magistra gerade erbat, war mehr; es würde es für Walther

Weitere Kostenlose Bücher