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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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nicht mehr nötig machen, überhaupt bei Hofe zu erscheinen.
    Als könne sie Irenes Gedanken lesen, fuhr die Magistra fort: »Ein Sänger und eine Ärztin sind aber nichts, wenn sie ihre Kunst nicht ausüben können, und wir sind noch lange nicht so alt, um uns zur Ruhe zu setzen. Ihr würdet uns noch häufig bei Euch sehen, Euer Gnaden. Nur wäre es gut, zwischendurch einen Ort zum Ausruhen zu haben.«
    »Wäre ich nicht die Königin, würdet Ihr dann bei mir sein?«, fragte Irene, ehe sie es sich versah. Es war genau das, was sie nie hatte laut fragen wollen. Sie näherte sich allmählich dem dreißigsten Lebensjahr; nur noch drei Jahre. Das war ein Alter, um nicht mehr bedürftig wie ein Kind zu klingen. Unbotmäßigerweise ergriff die Magistra auch noch ihre Hand und sagte leise, aber nachdrücklich: »Ich bin hier, Euer Gnaden, nicht in Salerno. Wenn Ihr nicht wisst, dass es darum geschah, weil Ihr mich brauchtet, dann gibt es nichts, was mich hier noch hält, und ganz gewiss keine Krone.«
    Irene dachte daran, wie elend sie sich gefühlt hatte in jener Feste in Salerno. Sie dachte an die sanften, starken Hände der Magistra und die Freundlichkeit der ihr damals völlig Fremden, und daran, dass sie hätte sterben können und niemals Philipp, ihre Kinder oder ihr Leben hier gehabt hätte, wenn ein anderer Arzt für sie geholt worden wäre.
    »Mein Gemahl hat die Absicht, Otto einen Handel anzubieten«, sagte Irene abrupt, und ihre Finger verschränkten sich in die der Magistra, um sie festzuhalten. »Wenn Otto seinen Anspruch auf die Krone aufgibt und endgültig Frieden schließt, wird er das Herzogtum Schwaben erhalten … und Beatrix als Gemahlin.« Es war ihre Art, der Magistra zu versichern, wie sehr sie an ihr hing und ihr vertraute, und gleichzeitig um ihren Rat zu bitten. Es gab hundert gute Gründe, warum dieser Plan eine gute Lösung war. Otto hatte Anhänger verloren, und wenn der neue Kölner Erzbischof an seine Stadt zurückgegeben wurde, verlöre er die mächtigste Stadt im Reich. Es stand auch zu hoffen, dass der Papst den Bann von Philipp nehmen würde; das hatte Wolfger inzwischen vorbereitet. Doch Otto bewies immer wieder, dass er zu zäh war, um jemals ganz besiegt zu werden. Derzeit befand er sich in England, um seine innige verwandtschaftliche Vertrautheit mit König John zu beweisen, mutmaßlich, um noch mehr Geld von ihm zu erlangen. Wenn er nicht gerade auf dem Rückweg in der Nordsee ertrank, dann würde der Krieg noch Jahre weitergehen, bis an sein oder Philipps Lebensende. »Oder bis wir kein Land mehr haben, um es zu regieren«, hatte Philipp zu ihr gesagt, »weil es ausgeblutet ist. Wir sind dann wie die Eltern in dem Gleichnis, die lieber ein Kind zweigeteilt sehen, als es lebend in der Obhut einer anderen Mutter zu wissen. Also muss ich etwas finden, mit dem Otto zufrieden sein kann. Das alte Herzogtum Heinrichs des Löwen kann es nicht sein, denn das müsste ich einigen wichtigen Anhängern wegnehmen, und wenn sie auch nur glauben, dass ich das tun würde, verliere ich sie, nicht nur Ottos Bruder. Das Gleiche gilt für jedes andere Herzogtum im Land und die reichen Grafschaften. Ich hätte gute Lust, Thüringen anzubieten, schon weil Hermann es viel zu sehr genossen hat, uns gegeneinander auszuspielen, Otto und mich, aber das müsste ich erst erobern. Nur mein eigenes Herzogtum, das Stammherzogtum der Staufer, das stünde mir sofort zur Verfügung.«
    »Und deine eigene Tochter.«
    »Du hast immer gewusst, dass Beatrix zum Nutzen der Krone verheiratet werden muss«, hatte Philipp erklärt und sachte ihr Haar geküsst. »Genau wie du und ich, meine Liebste.«
    Das stimmte. Man konnte sogar sagen, dass es im Reich keinen besseren Bräutigam für Beatrix gäbe; gewiss keinen höher stehenden. Mehr noch: Philipp sprach es nicht laut aus, aber ihre beiden kleinen Söhne waren tot, und ihre Töchter konnten ihm nicht auf den Thron folgen, weil man seinem Angebot an die Fürsten, ihnen auch ein Erbrecht für ihre Töchter zu geben, nicht gefolgt war. Falls sie kein weiteres männliches Kind zur Welt brachte, dann würde der Gatte seiner ältesten Tochter den Thron erben. Was er Otto also anbot, war die beste Aussicht auf den Thron, die er auf friedliche Weise erlangen konnte, und gleichzeitig die Möglichkeit, die lange Fehde der Welfen und Staufer durch eine Ehe zu beenden.
    Ja, Irene verstand all die guten Gründe für Philipps Plan. Sie sollte ihn aus ganzem Herzen befürworten. Dass

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