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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Sohn, du denkst einfach zu kurz. Man muss wissen, wann das Spiel überreizt ist. Ich will nicht leugnen, dass ich in den letzten zehn Jahren viel Gewinn aus dem Krieg gezogen habe, aber Philipps Weigerung, eine seiner Töchter für einen meiner Söhne in Betracht zu ziehen, beweist mir, dass es damit nun zu Ende ist. Selbst, wenn ich wieder zu Otto übergehe, wird er mir nicht mehr Ländereien oder Privilegien bieten, um mich zurückzugewinnen. Und wenn ich mich nicht zu Otto bekenne, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Philipp anfängt, ein paar seiner früheren Zugeständnisse wieder einzufordern, wenn er erst sicher auf seinem Thron sitzt.«
    Erst stellte Hermann es so dar, als ob die Dinge schlecht für Philipp stünden, dann, dass sie gut für den König seien und schlecht für ihn selbst. Da sollte einer verstehen, worauf sein Schwiegervater hinauswollte! Dietrich beschloss, dem Herumgerede ein Ende zu machen. »Was wollt Ihr von mir, Schwiegervater?«
    »Die Frage ist, was du vom Leben willst, Dietrich. Willst du weiter nur auf Meißen beschränkt sein, da gewisse Hoffnungen sich nicht erfüllen werden, oder willst du zu Rechten eines Königs stehen, der dir alles verdankt?«
    »Aber Ihr habt doch gerade gesagt, dass Philipp nicht mehr mitspielt, Ihr aber auch nicht erneut zu Otto übergehen wollt.«
    »Sag mir, dass all die gemeinsamen Jahre nicht umsonst waren und dass du von alleine darauf kommst, was dann noch übrig bleibt.«

Kapitel 38
    E s war zu kalt, um in der Nacht lange im Freien zu bleiben, aber Walther brauchte frische Luft. Stille nach dem Lärm im Palas war auch nicht schlecht, doch vor allem frische Luft. Er hatte das Gefühl gehabt, zu ersticken.
    In den letzten Tagen hatte es geschneit, doch am Nachmittag war der Himmel klar geworden, und jetzt konnte er die Sterne mit einer ungewöhnlichen Deutlichkeit sehen. Strahlend, unverändert und vor allem unerreichbar.
    »Sie hat Euch fallengelassen wie ein Stück Abfall, nicht wahr?«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Deswegen seid Ihr hier.«
    Walther drehte sich um und sah, dass die Markgräfin Jutta ihm gefolgt war. Er begegnete ihr nicht zum ersten Mal wieder, doch bei der Verlobungsfeier für ihren kleinen Bruder Ludwig hatte sie ihn geflissentlich übersehen. Er war ihr auch aus dem Weg gegangen, was leichter war, als er zunächst geglaubt hatte.
    »Ich bin hier, weil Euer Vater Sängern gegenüber so gastfreundlich ist.«
    Sie machte eine ungeduldige Handbewegung. »Das hätte ich vielleicht im Herbst geglaubt, aber nun ist es Winter. Als ich das letzte Mal an einem Hoftag König Philipps teilnahm, da erzählte mir die Königin, dass Ihr der Ärztin nach Salerno gefolgt seid. Also wart Ihr bereit, für sie über die Alpen zu ziehen, weshalb es nur zwei Erklärungen für Euren langen Aufenthalt hier in Thüringen ohne sie gibt: Sie ist tot, oder sie hat Euch fallenlassen.«
    Anscheinend war es eine Gemeinsamkeit aller Frauen mit dem Namen Jutta, zu scharfsinnig für seine Gefühle zu sein. »Wer sagt Euch, dass ich nicht ihrer überdrüssig geworden bin?«, entgegnete Walther und versuchte, eine lässige und spöttische Tonart anzuschlagen.
    »Ihr habt in Euren Augen die Leere eines Mannes, der sein Herz verloren hat, Walther von der Vogelweide, und nicht auf die glückliche Weise«, sagte Jutta. »Ich kenne sie, diese Leere. Ich kenne sie nur allzu gut. Es hat mich auch durchaus glücklich gemacht, dass sie nun Euch erfüllt.«
    In früheren Zeiten hätte er sich vielleicht schuldig gefühlt, aber jetzt nicht mehr. Er war es überdrüssig, und er hieß die Gelegenheit willkommen, endlich etwas von der Bitterkeit, die in ihm schwelte, weiterzugeben.
    »Darf ich fragen, was ich getan habe, um Eure Feindschaft zu verdienen? Hatte ich Euch jemals geschworen, dass ich Euch liebte? Nein. Ich hatte den Eindruck, dass wir uns gegenseitig die Zeit vertrieben und so etwas wie Freundschaft schlossen, aber vermutlich hätte ich daran denken sollen, dass Frauen genauso wenig mit Männern Freundschaft schließen, wie edle Herren das mit fahrenden Sängern machen. Ja, es tut mir leid, dass Euer Gemahl ein grober Narr ist, aber das ist nicht meine Schuld. Was zum Teufel gibt Euch also das Recht, mir erst Verstümmelung anzudrohen und Euch dann, wenn wir uns Jahre später wiedersehen, an meinem Unglück zu weiden?«
    Ihr Mund hatte sich während seiner Tirade leicht geöffnet. In der Kälte und dem klaren Licht der Sterne und des Mondes sah er die

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