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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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noch einen großen mittleren Bereich. Die kleine Stadt verfügte über kein Badehaus, war dafür aber von nicht weniger als sieben Seen umgeben, so dass sie alle badeten. Bei dieser Gelegenheit stellte sich heraus, dass weder Markwart noch Paul schwimmen konnten. Markwart, der in den Bergen zur Welt gekommen war, fand das nicht weiter ungewöhnlich, doch Paul fragte peinlich berührt, ob man es ihr denn als Kind im Rhein beigebracht habe.
    »Nein«, musste Judith zugeben. »Ich habe es in Salerno gelernt. Die Stadt liegt in einer Meeresbucht, und im Salzwasser zu schwimmen tut dem Rücken sehr gut, das hat man uns gleich zu Beginn erzählt.«
    »Ich hatte nie die Zeit, um schwimmen zu lernen«, sagte Paul. »Außerdem gab es ständig Belagerungen. Da konnte man sowieso nicht zum Vergnügen in den Rhein springen.«
    Er sagte das im Gegensatz zu früheren Anspielungen ohne vorwurfsvollen Ton, aber Judith dachte einmal mehr, dass der Krieg ein Ende haben musste. Sie ließ die Sonne ihr Haar trocknen und fragte sich, ob das ihre letzten freien Stunden sein würden, aber seltsamerweise fehlte ihr mittlerweile jede Angst. Es war, als befände sie sich immer noch im See und triebe an der Oberfläche, bewusst, dass alles Mögliche auf dem Grund lauern konnte, ohne dass es sie wirklich berührte.

    Als sie in den Innenhof der Residenz der Grafen von Schwerin einritt, die Ottos derzeitige Gastgeber waren, saß sie kerzengerade auf ihrem Pferd, in ihr sauberstes Oberkleid gewandet, die Haube und Kinnbinde so streng gebunden wie bei einer Nonne. Es herrschte reges Treiben. Wie Paul rasch in Erfahrung brachte, verhandelte Otto derzeit von hier aus mit dem Dänenkönig, wohl immer noch auf der Suche nach Verbündeten, und wartete auf Gesandte. Daran, dass sein Haushofmeister, der Paul erkannte, noch nicht einmal so tat, als ob Otto zu beschäftigt wäre, um Vertreter der Kölner Kaufleute sofort zu empfangen, konnte man erkennen, dass er deren Wichtigkeit nicht mehr sehr ernst nahm. Sie mussten warten. Wie vereinbart ließen Judith und Paul dann Markwart mit dem Gepäck zurück.
    »Wer sagt dir, dass er sich nicht auf und davon macht?«, fragte Paul.
    »Er ist ein ehrenwerter Mann.« Er war außerdem ein Mann, dessen Weib und Kinder von der Königin abhingen; Irene würde nicht glücklich sein, wenn er ohne Judith zurückkehrte.
    Es war früher Nachmittag. Otto hatte sich nach dem Mittagsmahl bereits zurückgezogen, als Paul und Judith zu ihm gebracht wurden. Er ruhte auf einem mit Fellen bedeckten Lager und erhob sich nicht, als die beiden den Raum betraten.
    »Der Sohn des Kaufmanns Stefan aus Köln und die Magistra Jutta von Salerno, Euer Gnaden«, sagte der Diener, der sie hereinführte.
    »Wie angenehm. Ich war heute früh jagen. Ein Aderlass, um die Säfte auszugleichen, käme mir da gerade recht«, kam es von der Liege. Judith stellte fest, dass sie in den Jahren, die seit Chinon vergangen waren, vergessen hatte, wie Ottos Stimme klang. Er hätte ein Fremder sein können, so, wie er da lag. Er streckte einen Arm aus und winkte sie näher. »Nur zu.«
    Er war immer noch der blonde, muskulöse Mann, aber im Gegensatz zu dem jungen Adeligen, dem sie in Österreich begegnet war, umgab ihn nicht mehr die Aura unberührbaren Hochmuts. Er ist es inzwischen gewohnt, enttäuscht zu werden, schoss es Judith durch den Kopf. Bei näherer Betrachtung durchzogen erste graue Haare seinen blonden Bart, Falten hatten sich in sein Gesicht gegraben und zogen seine Mundwinkel nach unten. Seine blaugrauen Augen zeigten rote geplatzte Äderchen und glitten von Paul zu Judith, ohne jeden Anschein eines Wiedererkennens.
    »Versteht Ihr Euer Handwerk, Baderin?«
    »Ich bin, wie Euer Diener bereits sagte, eine der weisen Frauen aus Salerno, Euer Gnaden«, gab sie zurück und öffnete ihre Arzneitasche, um das richtige Messer herauszusuchen, eine Fliete.
    »Ich habe mich immer gefragt, was man in Salerno lernt, das Bader nicht wissen«, gab er zurück. Die Stimme klang spöttisch, doch nicht angriffslustig. »Über einen Aderlass beispielsweise. Macht es wirklich einen solchen Unterschied, dass Ihr erklären könnt, welche Säfte im Körper kreisen, wenn es doch nur darum geht, ein Messer richtig zu handhaben?«
    »Nein, aber es mag Euch das Leben retten«, gab sie gemessen zurück. »Ein Aderlass an der falschen Stelle, zu grob oder eilig ausgeführt, ein rostiges Messer, alles kann tödlich sein.«
    »Ein Mann«, sagte Otto und betrachtete sie sehr

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