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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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dass er sich um einen wandelnden Igel bemühen musste. Außerdem hatte er Wichtigeres zu tun.
    »Erst ein Huhn und nun ein Säugling?«, fragte Walther. »Wenn Ihr so weitermacht, vergleicht Ihr mich demnächst noch mit etwas, das wirklich unangenehme Töne von sich gibt, wie einem zänkischen Weib beispielsweise.«
    »Ich würde Euch niemals die Ehre antun, Euch ein Weib zu heißen. Dazu müsstet Ihr erst ein Mensch sein«, sagte sie und wandte sich ab. Mit einem Mal wirkte sie erschöpft und traurig. Ihm fiel ein, wie sie vor der Herzogin gekniet hatte. Am Ende war die Verzweiflung in ihrer Stimme nicht gespielt gewesen, sondern echt?
    Sie standen direkt neben einer brennenden Fackel in einer Wandhalterung, und das Licht ließ die dunklen Wimpern Schatten unter ihre Augen malen. Frauen, stellte Walther fest, hatten die höchst hinterlistige Gabe, einem Mann durch das bloße Neigen des Kopfes und mit einer betrübten Miene das Gefühl zu geben, zum Nothelfer berufen zu sein. Auch ihn beschlich das Gefühl, irgendetwas wiedergutmachen zu müssen, so unsinnig es auch war.
    »Ihr braucht Euch keine Sorgen wegen des Grafen Otto zu machen«, hörte er sich sagen. »Er wird bald zurück an den Hof seines Onkels verschwinden, und keiner von uns wird ihn je wiedersehen. Wenn er mal wieder mehr Dienerschaft und ein größeres Gemach haben wollte, hat er stets damit geprahlt, dass ihn König Richard zu seinem Nachfolger machen wird. Geisel im Fürstenstand zu sein, das ist doch ein Leben! Wie eine Made im Speck. Nun, es wäre eines für meine Wenigkeit, doch Graf Otto wird einen Thron in England vorziehen. Sobald die Wege wieder frei sind, wird er so schnell aus Österreich verschwinden, dass wir nicht einmal eine Staubwolke hinter ihm sehen werden, und er wird jeden vergessen haben, dem er in seiner gastlichen Wohnstätte begegnete, ob Ärzte, Diener oder Reisende aus Köln.«
    Die Schatten wichen nicht aus ihrem Gesicht, im Gegenteil. »Das ist zu spät«, murmelte sie. »Wenn es Eurem Herzog wirklich so schlechtgeht, wie jeder behauptet, dann hat er eine Blutvergiftung. Wenn die in den Torso dringt, bleiben ihm nur noch Tage, vielleicht sogar Stunden, und dann wird man nach Schuldigen suchen.« Sie schüttelte den Kopf. »Mein Vater hat es mir prophezeit, aber ich wollte nicht hören. Ich dachte nur daran, dass er den Ruhm ernten könnte, dem Herzog von Österreich das Leben gerettet zu haben.«
    »Der neue Medicus ist Euer Vater?«, fragte Walther, dem mit einem Mal vieles klarwurde. »Dann macht Euch trotzdem keine Sorgen. Belohnen wird man ihn zwar sicher nicht, aber wegen mangelnder Erfolge ist noch kein Arzt umgebracht worden. Im Übrigen wird der Hof hier mit ganz anderen Dingen beschäftigt sein.« Wie der Nachfolge, dachte er.
    »Wie dem englischen Silber?«, fragte sie. Walther fiel für einen Moment das Kinn herunter. Sie drehte sich gerade noch rechtzeitig zu ihm, um es zu bemerken, und mit einem Mal wirkte sie nicht traurig, sondern sehr, sehr wachsam. Sie beobachteten sich beide stumm.
    Gerade, als er nachgeben und als Erster Fragen stellen wollte, was sie von dem englischen Silber wusste, eilte eine Schar von Mägden und Hofdamen den Gang entlang auf das Gemach der Herzogin zu. Zwei von ihnen trugen einen Bronzetopf. Als sie Judith erblickten, zwitscherten sie: »Es hat etwas gedauert, um Andorn zu finden, aber es ist uns gelungen. Wir haben den Trank so bereitet, wie Ihr es gesagt habt.«
    »Und der Honig?«, fragte Judith so sachlich, wie Mathilde die Wirtin nach dem Verbleib der Zeche zu fragen pflegte.
    »Gewöhnlich ist nach dem Weihnachtsfest kaum noch welcher da«, entgegnete eine der Mägde, »aber in diesem Jahr gab es weniger Gastmähler.«
    »Gut«, sagte Judith. »Dann bringt den Trank der Herzogin. Wenn sie ihn denn noch haben will.«
    Die Magd, mit der sie gesprochen hatte, nieste, was sofort Husten und noch mehr Niesen bei den anderen nach sich zog. »Da braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen.« Die Schar verschwand in Richtung des herzoglichen Gemachs.
    »Das war ein Heiltrank«, schlussfolgerte Walther.
    Sie warf ihm einen gereizten Blick zu. »Glaubt Ihr etwa, in Salerno werden Studenten angenommen, die unwissend sind? Ich mag noch keine Magistra sein, aber mein Vater war mein Lehrer, und solche Kräutertränke sind wirklich das Einfachste, was er mich gelehrt hat.«
    Traurig hatte sie ihm besser gefallen als jetzt in ihrem neu entflammten Zorn. »Um ehrlich zu sein, habe ich nie an die

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