Das Spiel der Nachtigall
ein Bastard des alten Kaisers?«
»Das habt Ihr gesagt, nicht ich«, entgegnete Walther geheimnisvoll. »Ich sage nur, dass der jetzige Kaiser wegen seines friedliebenden Gemüts so berühmt ist wie ob seiner Gabe, zu verzeihen. Gewiss wird er losen Reden über seine Schwester mit Verständnis begegnen und die Schuldigen, wenn sie erst unter seinem Befehl im Heiligen Land stehen, nicht zu den Aussätzigen schicken oder gar zwingen, ihre eigenen Innereien zu essen. Ich bin sicher, alle Gerüchte, die das Gegenteil besagen, sind bösartige Erfindungen der Welfen, die es einfach nicht verwinden können, dass sie nicht auf dem Kaiserthron sitzen.«
Seine Zuhörer in Furcht und Schrecken statt in Begeisterung zu versetzen, war selten so befriedigend gewesen. Allerdings galt es nun zu verhindern, dass die Ritter sich zu einem späteren Zeitpunkt genügend von ihrem Schreck erholten, um Erkundigungen über Judith einzuziehen und zu schlussfolgern, dass sie mit ihr doch bedenkenlos tun konnten, was sie wollten.
Walther versuchte mit einiger Mühe, den Maulesel zu veranlassen, ihm zu folgen, was seinen triumphalen Abgang ruinierte; schließlich fand sich aber ein längerer Strick, um das Tier an den Wagen zu binden, dem es nun zu folgen hatte. Danach machte er sich die Mühe, mit jedem schwatzhaft wirkenden Mitglied des Trosses ein Gespräch zu führen. Den ganzen Tag unterwegs zu sein, machte die meisten Menschen für Ablenkungen dankbar, doch die Kunst bestand darin, ihnen auch anzumerken, ob sie bereit waren, das, was man ihnen anvertraute, so schnell wie möglich weiterzuerzählen. Dabei achtete er darauf, erst über Neuigkeiten und Gerüchte zu sprechen, die nichts mit seinem Anliegen zu tun hatten. Ein Opfer war das nicht: Es war durchaus aufschlussreich zu hören, was die Trossmitglieder wussten. Unter den Leuten Friedrichs gab es einige, die murrten, man könne schon längst auf dem Kreuzzug sein, wenn Philipp von Schwaben seine Braut selbst jenseits der Alpen abgeholt oder dort geheiratet hätte. Andere waren froh über den Aufschub, nicht, wie sie beteuerten, weil sie die Heiligen Stätten nicht befreien wollten, doch es gäbe einem schon zu denken, dass Kreuzzüge in den letzten Jahren immer schlecht geendet hatten, und nicht für die Moslems.
»Erst ertrinkt der Kaiser Rotbart in einem gottverfluchten Heidenfluss, wo es da unten doch nur Wüsten geben soll, dann verliert der alte Herzog seine Ehre bei Akkon und beinahe auch seine unsterbliche Seele. Ich habe Kameraden, die sind bei Akkon gefallen, und wofür? Kein Mensch redet mehr davon, wie tapfer die Österreicher gefochten haben, nein, immer ist nur die Rede davon, wie der alte Herzog den König von England gefangen genommen hat und wie tapfer der doch war. Eine Schande ist das. Jedenfalls bin ich lieber Teil einer Brautfahrt, als meine Haut bei den Heiden zu Markte zu tragen.«
»Ich wette, der Kaiser beneidet seinen Bruder«, sagte ein anderer. »Ich jedenfalls läge lieber mit einer jungen hübschen Griechin im Bett und in einer von unseren schönen Pfalzen, als mit der alten Normannin verheiratet zu sein und ständig auf dem Weg in einen neuen Krieg.« Gelächter und Gemurmel bewiesen, dass er damit nicht allein stand. Walther meinte beiläufig, er wäre nur neugierig, für wen eigentlich die sogenannte Ärztin bestimmt sei, wenn das Gerücht stimmte, das er gehört hatte, was er ihnen aber nur unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit erzählen könne … Als er das Grüppchen hinter sich ließ, waren sie bereits dabei, zu streiten, ob der alte Kaiser Barbarossa nun fünf oder sechs Bastarde gehabt hatte und welcher Fürst des Reiches am ehesten als Kaiser Heinrichs Schwager in Frage käme, obwohl Walther nie direkt behauptet hatte, Judith sei eine Stauferin.
Bei den Männern des Bischofs verlief es ähnlich. Der größte Unterschied war, dass sie sich Sorgen machten, Herzog Friedrich sei selbst auf eine Ehe mit der mutmaßlichen Stauferin aus, um so endlich die Unterstützung des Kaisers dafür zu erlangen, Wien als selbständiges Bistum beim Papst durchzusetzen, was den Einfluss ihres eigenen Herrn erheblich beschneiden würde.
»Vielleicht ist sie aber auch keine Stauferin«, sinnierte ein Passauer, »sondern die wirkliche Byzantinerin!«
»Wie kommst du denn darauf?«, fragte Walther überrascht.
»Ich habe gehört, dass die edlen Herrschaften manchmal mit ihren Dienern und Mägden die Rollen tauschen«, sagte der Soldat weise, »um
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