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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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»Sie können es gebrauchen.«
    Am bezeichnendsten war, dass der Ritter aufrichtig verständnislos dreinblickte, während auf Judiths Stirn eine Falte erschien. Sie begriff schnell, schneller als die meisten Menschen, denen Walther bisher begegnet war, und ein törichter Teil seiner selbst hatte gehofft, sie wäre auch deshalb bei dem Gastmahl geblieben, um seine Lieder zu hören, damit sie ihm hinterher ihre Meinung dazu sagen konnte. Es war nichts süßer, nichts befriedigender, als einen klugen Menschen zu beeindrucken.
    »Was hätte ich mit gehängten Spitzbuben zu tun?«
    »Das fragt den Juden Salomon«, gab Walther zurück. »Diejenigen seiner Mörder, die nicht das Kreuz genommen haben und keine Ritter waren, hat der Herzog alle hängen lassen.«
    Georg blickte verlegen zur Seite; verlegen, als habe Walther ihn darauf hingewiesen, dass er keine frischen Beinlinge unter seinem Rock trug, nicht schuldbewusst. Einer der anderen Ritter lachte. »Tatsächlich? Dann ist es wohl wahr, dass der Jude ihm sein englisches Silber so gut versteckt hat, dass er dankbar sein musste, Euer Herzog. Wir haben es jedenfalls nicht gefunden.«
    »War es das, was Ihr mir sagen wolltet?«, fragte Judith Walther geradewegs, und ihre Augen waren wie braunes Eis. Er nickte. Sie teilte den Rittern mit, sie ziehe es nun doch vor, im Wagen mit der Prinzessin zu reisen, und trotz einiger teils spöttischer, teils bedauernder Bemerkungen gaben die Ritter Anweisung, den Pferdewagen lange genug anzuhalten, dass sie hineinklettern konnte, während Walther rief, er werde sich um den Maulesel kümmern.
    »Hört zu«, knurrte Georg, als Judith verschwunden war, »Ihr wildert hier in Wäldern, die Euch nichts angehen. Ich habe von den mulieres Salernitanae gehört. Man tut einer solchen Frau einen Gefallen, wenn man ihr die Gelegenheit gibt, ihre Mittelchen an den Mann zu bringen, versteht Ihr?«
    Sein Gefährte schnaubte. »Angeblich wissen diese Weiber sogar Wege, um das Glied eines Mannes so lange zum Stehen zu bringen, wie er bei einem Weib liegt.«
    Diese Kerle erinnerten Walther an die Frage Reinmars, die ihm beim Anblick so vieler Mächtiger und Ohnmächtiger in den letzten Jahren nie aus dem Kopf gegangen war: Bei welchem einzigen Geschenk Gottes glauben alle Menschen, gerecht behandelt zu sein? Er war sich sicher, dass auch diese drei Schlagetots nicht begreifen würden, was die Antwort Bei dem Verstand ihnen hätte sagen sollen. Ihn selbst machte dieser Spruch manchmal überheblich, unvorsichtig und leichtsinnig und führte auch dazu, sich den meisten Menschen gegenüber als gleichwertig, häufig gar als überlegen zu sehen. Weniger Eitelkeit wäre da schon hilfreich. Aber so war er nun einmal.
    Sosehr er es auch liebte, gut gelungenen Heldenliedern zuzuhören, so wenig hatte Walther sich je bemüßigt gefühlt, sich selbst an die Stelle eines Recken zu wünschen, der für die Ehre einer Dame das Schwert führt. Nicht nur, weil er keines hatte, sondern auch, weil er bezweifelte, dass bei solchen Auseinandersetzungen immer die Richtigen gewannen. In seiner Kindheit hatte er sich auch deswegen mit Markwart angefreundet, weil dieser jene seltene Verbindung verkörperte, körperliche Stärke und ein gutherziges Gemüt. Walther dagegen hatte zwar ein Talent dafür, Menschen zum Rasen zu bringen, doch wenn er nicht schnell genug davonlief, endete es oft genug damit, dass er verprügelt wurde, bis er Markwart als Freund gewann. Nein, er war kein Held wie Siegfried, dessen Haut durch Drachenblut unverwundbar geworden war und der noch dazu eine Tarnkappe sein Eigen nannte. Was er jedoch hatte, war seine Zunge, sein Einfallsreichtum und seine immer größer werdende Abscheu vor diesen Kerlen.
    »Mir geht es nur darum, Euch zu beschützen, Ihr Herren«, sagte er geschmeidig. »Glaubt Ihr denn wirklich, jene Frau sei als Ärztin bei der Prinzessin?« Nun stand auf allen drei Gesichtern Verwirrung geschrieben. »Gibt Euch die Haarfarbe nicht zu denken, oder der Umstand, dass von allen Frauen aus dem alten Gefolge der Prinzessin nur die Dame Jutta sie über die Alpen begleiten durfte? Welches Geschlecht in unserem Reich ist denn so berühmt ob seiner roten Haare, dass sein größter Spross selbst heute noch nur Kaiser Rotbart genannt wird?«
    Man konnte erkennen, wie in Georg langsam etwas wie ein dumpfes Verstehen dämmerte. Auf die Idee, den Münzmeister Salomon zur höheren Ehre Gottes totzuschlagen, war er schneller gekommen.
    »Ihr meint, sie sei

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