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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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den Ruf und mir die Unterhaltung bei meiner Hochzeit. Untersucht ihn also. Doch wenn er für seine Gesundung mehr von Euch fordert, dann denkt daran, dass Ihr meine Leibärztin seid und nicht die seine; umsonst, guter Herr Walther, ist nur der Tod. Ich hoffe, Ihr seid bereit, unserer Magistra ihre Heilkunst zu entgelten.«
    »Das bin ich, wenn sie mich nur zu heilen vermag«, krächzte Walther und wünschte beinahe, er sei wirklich krank. Ein Fieber würde das Pochen in seinen Ohren erklären, das Ziehen in seinem Herzen, und beides könnte kuriert werden, mit einem jener heißen Kräutertränke, an die er sich vage von ihrem Besuch in Klosterneuburg erinnerte. Sich in eine Frau zu verlieben, die seine Liebe nicht erwiderte, die ihn sogar verabscheute und auch noch Grund dazu hatte, war genau die Art von Selbstquälerei, die ihm in Reinmars Liedern mehr und mehr gegen den Strich gegangen war und die er gewiss nicht in der Wirklichkeit nachspielen wollte. Selbst unter besseren Voraussetzungen, selbst, wenn er nie an jenem Abend die Schenke betreten hätte, wäre es immer noch töricht, sich in eine Jüdin zu verlieben, die er nicht heiraten konnte, es sei denn, sie bekehrte sich. Nicht, dass er überhaupt jemanden heiraten wollte, ob christlich oder nicht. Nein, es wäre entschieden besser, nur krank zu sein.
    »Das Kloster hier hat einen Bruder Medicus«, sagte Judith. »Erlaubt mir, Euer Gnaden, Herrn Walther zu ihm zu bringen. Ich bin sicher, mit vereinten Kräften werden wir eine schnelle Heilungsmöglichkeit entdecken.«
    »Weise gesprochen, Magistra«, entgegnete Irene und bedeutete ihnen, sie dürften gehen.
    Als sie die feste Tür aus Eichenholz hinter sich geschlossen hatten, murmelte Walther: »Dabei habe ich heute schon das Meine für Euren Ruf getan. Wundert Euch nicht, wenn Euch bald der ganze Tross für eine Halbschwester des Kaisers hält.«
    Sie verschränkte ihre beiden Arme hinter sich, als wolle sie sich so daran hindern, ihn noch einmal zu schlagen, wie sie es kurz nach ihrer ersten Begegnung getan hatte.
    »Ich verstehe Euch nicht«, sagte sie, und was ihn traf, war, dass sie noch nicht einmal feindselig klang. »Wenn Ihr bereut, was Ihr getan habt, wie könnt Ihr dann dumme Scherze machen und mich verfolgen, statt mich in Frieden zu lassen? Und wenn Ihr es nicht bereut, warum feiert Ihr dann nicht mit Euren Kumpanen, sondern warnt mich vor ihnen und bindet ihnen ein Märchen über meine Herkunft auf, dem ich nicht entgegentreten kann, ohne es noch glaubwürdiger zu machen?«
    Lebenslange Gewohnheit wollte ihn protestieren lassen, seine Scherze seien nicht dumm, doch dann zwang er sich, ihr ehrlich zu antworten. »Reue lässt sich nicht so leicht in Worte fassen. Nicht so, dass ich selbst sie mir glaube. Ich wünsche Eure Verwandten wieder ins Leben, gewiss, aber wenn ich mir vorstelle, dass ich noch einmal in der gleichen Lage wäre, dann weiß ich nicht, ob ich die Stärke hätte, eine andere Wahl zu treffen. Und wenn ich das nicht ehrlich behaupten kann, was wäre es dann wert, wenn ich mit Tränen und Wehklagen wie Hiob durch mein Dasein ginge? Es wäre Heuchelei. Da fällt es mir leichter, meine Zunge an jedem geeigneten Stein zu wetzen. Manchmal spuckt einem das Leben ins Gesicht, aber es fiel mir immer leichter, zurückzuspeien, statt darüber zu weinen.«
    »Ich glaube Euch nicht«, sagte Judith. »Ich glaube, Ihr habt nur Angst, Ihr könntet nicht mit Reue leben, wenn Ihr sie empfändet. Ihr seid wie ein Kind, das etwas zerbrochen hat und denkt, wenn es wegläuft oder andere Kinder mit Schlamm bewirft, als nach Hause zu gehen und für den Schaden geradezustehen, dann sei es nicht geschehen.«
    Mit einem Mal war es nicht weiter schwer, sich daran zu erinnern, warum er sie bei ihrer ersten Begegnung für eine Furie gehalten hatte. Leider änderte der Zorn, der in ihm aufstieg, nichts daran, dass er sich fragte, wie sich ihre Lippen wohl anfühlen würden, wenn er sie küsste, oder wie es wäre, noch einmal zu erleben, wie sie ihr Haar seinem strengen Gefängnis entwand.
    »Wie merkwürdig, dass Ihr vom Davonlaufen sprecht. Mein Gedächtnis mag mich trügen, doch ich glaube, diejenige von uns beiden, die bisher jedes Mal das Weite suchte, wenn wir uns im gleichen Raum miteinander befanden, das wart Ihr. Lenkt Euren Scharfblick doch bitte auch auf Euch, Magistra, und sagt mir, wovor habt Ihr Angst?«
    »Nicht vor Euch und Euren mörderischen Freunden«, gab sie wütend zurück.
    »Es sind

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