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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Gefahren zu entgehen. Schließlich ist diese Irene die Tochter eines Kaisers, und wenn jemand den Tross überfallen und sie zu sich ins Bett zerren würde, dann müsste sie ja und amen sagen, wenn er einen Priester dabeihat, um die Ehe zu schließen. Sonst stünde sie ja als eine Hure da. Nur, wenn in Wirklichkeit die Rothaarige die Kaisertochter ist, dann stünde so der Brauträuber am Ende dumm da!« Es war im Grunde nicht weiter hergeholt als Walthers eigene Erfindung, denn so manch eine adlige Braut mit reicher Mitgift war wirklich auf diese Weise von einem anderen als ihrem vorgesehenen Gemahl geheiratet worden.
    Walther machte ein gebührend beeindrucktes Gesicht und zog zum Bischof weiter, dem er nicht mit Unterstellungen hinsichtlich Judiths Herkunft kommen konnte, doch von dem er immerhin hörte, dass es, nach ihm vorliegenden Berichten, dem Heiligen Vater in Rom nicht gutgehe.
    »Deswegen müssen die Angelegenheiten in Frankfurt möglichst schnell ins Reine gebracht werden«, warf Hugo ein, um sein Verständnis für Politik zu demonstrieren. Sein Vater seufzte. Mit einigem Nachdenken begriff Walther, weswegen: Wenn der Papst sterben sollte, während der Kaiser und sein Heer noch in der Nähe Roms waren, dann würde die Wahl des Nachfolgers zweifellos durch den Kaiser beeinflusst werden.
    »Habt Ihr denn selbst keine Sehnsucht nach dem Heiligen Stuhl, Euer Gnaden?«, fragte er, einen neckenden Tonfall riskierend. »Oder glaubt Ihr nicht, dass der Kaiser sich für Euch einsetzen würde?«
    »Ich glaube nicht, dass Gott mich zum Kardinal berufen hat«, sagte der Bischof, was keine direkte Antwort war. »Aber er hat mir Augen gegeben, um zu sehen, und die teilen mir mit, dass der Kaiser sich im südlichen Reich sehr verhasst gemacht hat, auch bei den Kardinälen, denn die stammen mehrheitlich aus Italien. Wenn die Menschen dort auch noch glauben, dass er bestimmen kann, wer auf dem Heiligen Stuhl sitzt, dann fürchte ich Aufruhr und Blutvergießen wie seit den Zeiten nicht mehr, da Barbarossa mit Heinrich dem Löwen stritt.«
    Das war eine offenere Erwiderung, als Walther sie erwartet hatte, und er schob sie in seinem Kopf hin und her. Er hatte gelegentlich Geschichten über die Härte des Kaisers im Süden gehört, doch sie waren nie mehr als ebendies für ihn gewesen: Geschichten. Jetzt fragte er sich mit einem Mal, was geschehen wäre, wenn er seine Schritte südwärts gelenkt hätte, statt nach Wien zu gehen.
    »Euer Gnaden«, sagte er zu Wolfger, weil der Bischof gerade so zugänglich war und weil er sich später sonst immer fragen würde, ob nicht doch Gerechtigkeit für alle möglich gewesen wäre, »wisst Ihr, dass drei von den Rittern, die in diesem Tross mit uns reiten, den Münzmeister Salomon und fünfzehn weitere Menschen zu Tode gebracht haben?«
    Der Bischof betrachtete ihn nachdenklich. »Und woher wisst Ihr das, Herr Walther? Habt Ihr gesehen, wie sie es taten?«
    Für einen Moment wollte Walther alle Vorsicht in den Wind schlagen und das bejahen. Es wäre nur eine weitere kleine Verbiegung der Wahrheit gewesen; schließlich hatte er die Tat so gut wie beobachtet, und wenn eine Unwahrheit dabei half, einer wichtigeren Wahrheit zum Sieg zu verhelfen, dann war das gewiss gerechtfertigt. Er öffnete den Mund – und schloss ihn wieder. Sein verwünschter Verstand teilte ihm gerade noch mit, dass er mit einer solchen Behauptung amtskundig machen würde, einem Mord beigewohnt zu haben, vor Hugo, dessen Redseligkeit er selbst nur allzu gut kannte, und dem Bischof, der ihm zwar gewogen sein mochte, doch mutmaßlich nur so weit, wie Walther ihm nützlich war. Einmal ausgesprochen, würde er diese Behauptung nicht mehr zurückziehen können. Schlimmer, jedes spätere Beharren darauf, nicht am Ort des Geschehens gewesen zu sein, würde ihn dastehen lassen, als wolle er nur seine eigene Schuld auf die Kreuzritter abwälzen.
    Letztendlich kam es darauf an, ob er dem Bischof genügend vertraute, und ob er bereit war, notfalls selbst als Helfer der Mörder dazustehen, um eine Strafe für Georg und dessen Gefährten erreichen zu können. Das Gefühl wie an dem Abend in der Schenke, jene blinde Furcht, war nicht mehr da, aber dafür die kalte Stimme der Berechnung und Vernunft.
    »Nein«, sagte Walther, »das habe ich nicht. Aber ich habe sie mit eigenen Ohren davon prahlen hören.«
    »Nun, das beweist, dass sie der Buße durch das Streiten für die Ehre Gottes im Heiligen Land wirklich dringend bedürfen.

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