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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Judith, »aber die Troubadoure, die ich in Palermo gehört habe, waren stets mit Blicken ihrer Angebeteten zufrieden und rühmten das Leiden und die Entsagung, nicht die Erfüllung.«
    »Ich habe nicht den Eindruck, dass Herr Walther jemals etwas für Entsagung übrighat«, murmelte Judith, »und andere deutsche Sänger habe ich nicht gehört, weil ich in den letzten Jahren in Salerno lebte.« Auch, weil jüdische Ärzte in ihrem Kölner Haushalt keine Minnesänger empfingen, doch das konnte sie nicht hinzufügen.
    Jedenfalls brauchte Judith dringend etwas, das sie beschäftigte. Erneut auf dem Maulesel zu reiten war keine Lösung; es befreite sie lediglich von der fürchterlichen Schaukelei, denn spätestens, als sie Passau hinter sich gelassen hatten, dem letzten Ort, wo manchmal noch die alte Straße der Römer erkennbar war, sprang ihr Wagen von einem Loch in das nächste, und wenn es regnete, kamen sie kaum noch voran, weil sie ständig feststeckten. Nein, das Reiten gab ihr immer noch viel zu viel Zeit zum Grübeln und für Gedanken an Walther, obwohl es doch überhaupt keinen Grund gab, sich mit diesem Kerl zu beschäftigen. Sie versuchte, sich einzelne Trossmitglieder daraufhin anzuschauen, ob diese an Gebrechen oder Krankheiten litten, derer sich die Männer noch nicht bewusst waren oder schämten, darüber zu sprechen, doch ihre Blicke wurden missverstanden, da die Betreffenden sich jedes Mal in die Brust warfen und versuchten, anzüglich zu schwatzen. Nach einer Weile gab sie es auf und kehrte erneut in den Pferdewagen zurück, wo es wenigstens Lucias zahnendes zweijähriges Söhnchen gab, für das sie eine Bernsteinkette aus dem Schmuck der Prinzessin zum Beißen organisieren konnte. Als sie sich bei Irene bedankte, welche über Kopfschmerzen klagte, meldete ihre ärztliche Beobachtungsgabe endlich eine Herausforderung, denn von dem Kind zu Irene zu blicken, erinnerte sie daran, dass Irene seit zwei Wochen ihren Monatsfluss hätte haben sollen, der jedoch nicht eingetreten war; der Geruch wäre im Wagen unverkennbar gewesen. Keine der Mägde sprach Latein, deswegen beschloss sie, Irene gleich darauf anzusprechen.
    »Was wollt Ihr damit sagen, Magistra?«, fragte die Prinzessin aufgebracht. Auf ihren Wangen erschienen rote Flecken; in ihrer Stimme lag die Schrillheit von Angst.
    »Dass Eure Körpersäfte nicht im Einklang miteinander stehen«, gab Judith beruhigend zurück. »Das kann geschehen. Aber Ihr solltet mich das behandeln lassen, denn je länger Euer Monatsfluss sich staut, desto heftiger wird er hervorbrechen, und Ihr wollt gewiss nicht, dass dergleichen geschieht, wenn wir in Frankfurt feiern. Ich habe Aloe dabei, die den kalten Weißschleim verarbeitet und austreibt, genau wie die warme Gelbgalle. Sie kräftigt außerdem den Magen und hilft bei Kopfweh. Ich weiß, dass Euch die Wochen in diesem Wagen mehr als genügend beschert haben. Lasst mich heute Abend heißen Eppichsaft mit der Aloe für Euch mischen, das sollte helfen. Vielleicht gibt es an unserem Rastplatz auch Schwarzwurzeln, die würden ebenfalls nützlich sein. Auf jeden Fall solltet Ihr mehr trinken, das hilft immer, zumindest gegen die Kopfschmerzen.«
    »Es – es ist wirklich … ich wusste nicht, dass … um offen zu sein, Magistra, ich habe schon angefangen, mich zu fragen, ob Gott meinen Monatsfluss von mir genommen hat, um mich unfruchtbar zu machen, so dass der Staufer mich nicht heiraten wird«, schloss Irene gedrückt, aber ob sie diese Möglichkeit erhofft oder gefürchtet hatte, ließ sich nicht sagen. »Außerdem hatte ich Angst, dass Ihr glauben würdet, ich sei – nun, ich wusste nicht, dass sich der Monatsfluss stauen kann, ohne …«
    »Einigen Frauen geschieht das gelegentlich. Manchmal sind die Säfte nicht miteinander im Einklang, oder die Adern sind durch große Kälte oder aufzehrende Trockenheit verengt, oder der Körper geht durch ungewohnte Anstrengungen in diesen Zustand über, wie eine sehr lange Reise«, sagte Judith.
    Irene atmete vor Erleichterung aus. Sie musste wirklich Angst gehabt haben, dass man sie für schwanger hielt, was Schimpf, Schande und das nächste Kloster für sie bedeutet hätte. Für Judith war die Möglichkeit schon deswegen nicht in Frage gekommen, weil sie wusste, dass Irene in den letzten Monaten zu keinem Zeitpunkt alleine gewesen war; außerdem war es sehr unwahrscheinlich, dass einer der Kriegsknechte die grausamste Folter und den sicheren Tod dafür riskieren würde, die

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