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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hervorströmte. Er stand nahe genug, dass ich ihn in den Hals hätte beißen können. Schließlich bekam er etwas zwischen die Finger, zog daran und an ein paar Büscheln meiner Haare und zerrte endlich eine Art Gesichtsschleier hervor, den er vorn herabzog. Dann trat er zurück und musterte sein Werk wie ein Schneider, der seinem Kunden das beste Stück auf den Leib geschnitten hat.
    Ich starrte durch zwei kleine ausgefranste Löcher aus der ansonst undurchsichtigen Gesichtsmaske heraus. Jemand musste die Öffnungen mit einem nicht sehr scharfen Messer hineingeschnitten haben. Albert auf dem Kutschblock erbleichte.
    »Was ist los?«
    »So was habe ich schon mal gesehen«, keuchte er.
    »Wo?«
    »Weiß ich nicht.« Er schlug das Kreuz. »Aber es bedeutet nichts Gutes.«
    Ich machte Anstalten, mich von der Maskerade zu befreien, doch der Junge gestikulierte aufgeregt und schüttelte den Kopf, bis ich die Hände wieder senkte. Er zog mir die Gesichtsmaske erneut herab und prüfte ihren Sitz.
    »Ist es das, was ich sehen sollte?«, fragte ich ihn. »Dieser Mummenschanz? «
    Er antwortete nicht, sondern deutete auf die Kutsche und dann auf die Pfahlsiedlung. Ich hätte meinen eigenen Wintermantel darum gegeben, sein Stammeln zu verstehen. Einzelne Worte schienen Sinn zu machen, aber in seinen ellenlangen Sätzen einen Zusammenhang zu entdecken, war mir nicht gegeben. Ich zuckte mit den Schultern.
    »Wo ist Hilarius?«
    Der Junge fletschte die Zähne und hieb frustriert mit den Fäusten in die Luft. Ich trat einen Schritt zurück.
    »Ist ja gut«, sagte ich, doch ich war gar nicht gemeint. Er sprang zur Kutsche hinüber und griff dem Pferd an die Trense. Es warf den Kopf zurück, aber sein Griff war eisern.
    »Finger weg!«, brüllte Albert, was den Jungen und mich gleichzeitig zu einem erschrockenen Zischen veranlasste. Albert öffnete den Mund erneut.
    »Leise, verdammt!«, stieß ich hervor.
    »Leii-e, dämmt!«, wiederholte der Junge und fuchtelte mit dem erhobenen Zeigefinger vor dem Mund herum. Albert starrte ihn grimmig an.
    »Er soll das Pferd loslassen, aber sofort. Reiß dem Biest nicht den Kopf ab, du Berserker, hast du gehört?«
    »Weeg, weeg!«, zischte der Junge.
    »Möchtest du, dass die Kutsche wegfährt?«, fragte ich. Der Junge drehte sich zu mir um und nickte. Er ließ die Trense des Pferdes nicht los, obwohl es versuchte, ihn abzuschütteln. Er hatte seine Anweisungen, und wenn man ihm genau erklärte, was er zu tun hatte, konnte man sich auf ihn verlassen. Ichfragte mich, ob Hilarius wusste, dass der Junge bei der Erledigung seiner Aufgaben weitaus einfallsreicher war, als sein Aussehen vermuten ließ.
    Inzwischen war mir klar, dass Hilarius Wilhelm nicht anwesend war, sondern seinen Begleiter geschickt hatte. Er hatte dem Burschen ebenso genaue Befehle gegeben wie am Vormittag, als er mich aus der Trinkstube geholt hatte.
    Nur hatte er leider den Umstand nicht berücksichtigt, dass ich vielleicht nicht würde entschlüsseln können, worum es eigentlich ging. Ich spürte Ärger auf Hilarius und noch größere Frustration wegen der Scharade, zu der diese Aktion plötzlich geworden war. Der Mantel war heiß, unter der Schaube stank es, und die Gesichtsmaske klebte an dem Schweiß auf meiner Stirn fest. Ich breitete die Arme aus und rief: »Wenn du nur ein vernünftiges Wort herausbringen würdest, damit ich wüsste, was du uns mitteilen willst.«
    Der Junge knurrte mich an und wedelte wieder mit dem Finger vor seinen Lippen herum. Offenbar war ich ebenfalls zu laut. Ich zog die Maske vom Gesicht und wischte mir über die Stirn.
    »Albert, fahr die Kutsche zwischen die Hütten, sodass man sie von hier aus nicht sieht, und warte dort auf mich.«
    Der alte Kutscher machte ein missbilligendes Gesicht, doch er brummte etwas, das man als Zustimmung deuten konnte. Dann riss er an den Zügeln, und der Junge ließ die Trense los. Albert begann die Kutsche zu wenden.
    »Was soll ich deiner Meinung nach tun?«, fragte ich den Jungen. Ich erwartete keine Antwort, aber er legte den Kopf schief und deutete mit ausgestrecktem Finger in das Dickicht, zu der Stelle, an der er sich versteckt gehalten hatte. Das zumindest konnte man nicht missverstehen.
    »Wovor soll ich mich dort verstecken? Oder soll ich auf etwas warten? Worauf?«
    Die Frage schien ihn über die Maßen zu erheitern. Er wies mit beiden Fingern auf mich, prustete und schien kurz davor, bei vollem Bewusstsein zu zerplatzen. Plötzlich konnte er nichtmehr

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