Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
Alte dann in der Kutsche hocken und selig schnarchen würde.
    »Außer, wenn du um Hilfe rufst.«
    Ich seufzte; auch das hatten wir ein Dutzend Mal beredet. »Dann kommst du sofort.«
    »Schrei nur laut genug, hast du gehört?«
    Ich winkte ab. Ich dachte, ein Pfeifen gehört zu haben.
    »Was ist los?«
    »Ruhe!«
    Albert brummte. Das Pfeifen erklang wieder. Es hätte ein Vogel sein können, doch ich war sicher, dass dem nicht so war. Ich spitzte die Lippen und pfiff ebenfalls, wobei ich Hilarius Wilhelm wegen seines kindischen Verschwörergetues verfluchte. Es raschelte an der Stelle bei den Erlen, wo sich auch vorher schon etwas geregt hatte, dann schob sich eine Gestalt aus dem Dickicht heraus. Allein das Krachen der Äste und die heftigen Bewegungen des Gebüschs verrieten, dass es nicht der zierliche Alchimist sein konnte.
    Falls ich noch daran gezweifelt hatte, dass der schwachsinnige Knabe durchaus nützlich sein konnte, wenn er genaue Anweisungen erhielt, dann wurde ich nun endgültig eines Besseren belehrt. Der Knabe stand da, von einem Ohr zum anderen grinsend und in seinen Kleidern und seinem Haar so viele Blätter und Zweige mit sich tragend, dass er ein Stück weit tiefer im Gebüsch gar nicht mehr aufgefallen wäre. Unter dem Arm trug er ein Bündel.
    »Verschwinde, Bürschlein«, rief Albert nicht unfreundlich, »wir warten hier auf jemanden.«
    »Albert«, seufzte ich, »wir warten auf ihn.«

4.
    Ich wurde nicht schlau aus dem, was der Junge mir mitzuteilen versuchte. Er drückte mir das Bündel in die Hand, grunzte und stieß abgehackte Wörter hervor, die ich nicht verstand. Albert betrachtete ihn misstrauisch und war so ratlos wie ich.
    »Wo zum Teufel ist Hilarius?«, fragte ich schließlich.
    Der Junge spähte in den schon fast dunkel gewordenen Himmel und seufzte. Plötzlich riss er mir das Bündel aus der Hand, entrollte es und hielt eine Schaube aus schwerem Stoff in den Händen, von deren Schultern eine lange Gugel baumelte. Er drehte sie hastig um und um, bis er sie vollständig auseinander gefaltet hatte, dann stülpte er sie mir unzeremoniell und so grob über den Kopf, dass ich wankte. Undeutlich hörte ich Albert einen Ruf ausstoßen und dachte einen kurzen Moment lang, dass ich wie ein Vöglein auf den Leim gegangen war. Während ich den schweren Schlag auf den Kopf erwartete, der gleich kommen würde, stiegen mir die Gerüche nach jemandes Schweiß und Körperausdünstungen in der kratzig-heißen Dunkelheit im Inneren des Kleidungsstücks in die Nase – dann war mein Kopf durch die Halsöffnung geschlüpft, und ich blinzelte überrascht in das Gesicht des Schwachsinnigen. Jetzt wusste ich, wie sich Kinder fühlten, deren Eltern die Geduld verloren und ihnen mit Gewalt das Hemd überstreiften.
    »Hör auf damit, du Ochse!«, keifte Albert. Ich winkte ab. Die Gugel, die auf der Vorderseite herabhing, machte deutlich, dass der Junge mir die Schaube verkehrt herum übergezogen hatte. Ich griff nach oben und drehte sie so lange, bis sie richtig saß. Der Junge lachte plötzlich, denn das Kleidungsstück war eng und für einen zierlicheren Mann als mich gedacht. Ich vermutete, dass Hilarius Wilhelm einen Griff in seine sicherarmselige Kleidertruhe getan und das einzige Kleidungsstück hervorgezogen hatte, das er im Sommer entbehren konnte: seinen Wintermantel. Weshalb er es dem Jungen gegeben hatte, weshalb dieser den Entschluss gefasst hatte, es mir anzuziehen, und wo der Alchimist geblieben war, lag für mich im Dunkeln.
    »Danke«, sagte ich, »wenn mir auch nicht wirklich kalt war.«
    Die Ironie war verschwendet. Schon machte der Knabe sich an der Gugel zu schaffen und versuchte, sie mir ebenfalls überzuziehen. Ich wehrte ihn ab.
    »Es ist wirklich heiß genug in dem Ding«, rief ich. »Wo ist Hilarius geblieben?«
    Er ließ nicht locker. Ich gab schließlich nach, damit er mich nicht aus Versehen erwürgte. Die Gugel senkte sich über meinen Kopf, kaum anders als der Mantel vorher. Was diesem jedoch an Weite fehlte, machte die Gugel wett. Es schien, als gehörte sie zu einem ganz anderen Kleidungsstück und war nur auf die Schaube genäht worden, um sie zu vervollständigen. Der Junge brummte ungeduldig, während ich mit der Kapuze über Augen und Ohren dastand und nicht wusste, ob ich mich ärgern oder lachen sollte. Zuletzt fasste er mit beiden Händen unter die Kapuze und tastete sich nach hinten, während ich eine Prise des Schweißgeruchs abbekam, der unter seinen Achselhöhlen

Weitere Kostenlose Bücher