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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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an sich halten. Er wieherte los und schlug sich gleichzeitig beide Hände vor den Mund. Seine eigene Lautstärke ernüchterte ihn. Er deutete noch einmal auf das Gräberfeld und wurde wieder ruhig. Ich nickte. Nun hatte ich meine Anweisungen, mehr würde ich nicht bekommen. Ich zuckte mit den Schultern, zog mir die Gugel wieder über den Kopf und die Maske vor das Gesicht.
    Albert hatte die Kutsche gewendet, ein ebenso zeitraubendes wie sinnloses Unterfangen, denn es wäre genug Platz gewesen, einfach einen weiten Bogen zu fahren, um zu den Hütten der Pfahlsiedlung zurückzukehren. Als er mich nun ansah, war sein Gesicht verschlossen.
    »Jetzt weiß ich wieder, wo ich das schon gesehen habe«, flüsterte er in der ihm eigenen Lautstärke.
    »Wenigstens ein Rätsel klärt sich.«
    »Der Mönch hatte so ein Ding in seiner Kapuze«, sagte Albert.
    »Welcher Mönch?«
    Er starrte mich an. »Genau das gleiche Ding«, sagte er. »Welcher Mönch, Albert?«
    Albert versuchte, in die Gucklöcher der Maske zu spähen. »Na, welcher Mönch wohl?«, knurrte er. »Der Engländer, den sie im Frühjahr aufgehängt haben.«
     
    Ich blieb in meinem Versteck, bis es vollkommen dunkel war. Der Schweiß lief mir in dünnen Fäden über das Gesicht, aber nun konnte ich die Maske nicht mehr abnehmen, wollte ich nicht von dem Ungeziefer aufgefressen werden, das mich mit tausendfachem Sirren umschwärmte. Ich hörte nichts von der Stelle, an der Albert mit der Kutsche stecken musste, und ebenso wenig aus der Richtung, in die der schwachsinnige Knabe davongeeilt war. Ansonsten war die Nacht voller Geräusche, angefangen vom Flüstern der Wertach hinter mir bis zum hellen Zirpen der Fledermäuse, die über mir durch den Nachthimmel huschten und die Plagegeister fingen, die resigniert von mir abgelassen und sich in die Höhe geschwungen hatten.
    Es war nicht so, dass ich mir nicht langsam denken konnte, worauf ich wartete. Ich hatte halb und halb gehofft, dass Hilarius Wilhelm etwas über Maria herausgefunden und sich diese idiotische Stelle ausgesucht hatte, um mit mir zu verhandeln: seine Informationen gegen eine Beteiligung an den Ermittlungen. Dabei gab er mir etwas ganz anderes in die Hand. Er hatte gefunden, wonach die ganze Stadt suchte, ohne es wirklich zu wissen, die eine Fraktion – Männer wie der Abt von Sankt Ulrich –, um ein Blutbad anzurichten, die andere – wie Bürgermeister Onsorg –, um eines zu verhindern. Zu welcher Fraktion sich das Haus Hoechstetter rechnete, wusste ich nicht, wenn seinen derzeitigen nominellen Vertreter die ganze Sache überhaupt interessierte. Zumindest Ulrich Hoechstetters Spitzel Stinglhammer hatte sich mit seinen Mitteln an der Suche beteiligt, und was sein Majordomus schaudernd für eine Verstrickung in dunkle Machenschaften gehalten hatte, war nichts weiter als Stinglhammers Bemühen gewesen, mehr über die sich unter der Oberfläche Augsburgs bewegenden Strömungen zu erfahren, um seine Erkenntnisse zu archivieren und zu gegebener Zeit hervorzuholen. Was immer er herausgefunden hatte, verbrannte jetzt im Kamin von Karl Hoechstetters Arbeitsstube. Im Nachhinein betrachtet, hätte ich Gregor vielleicht von dieser Information berichten sollen, doch dazu war es nun zu spät.
    Ich hörte Geräusche wie von Körpern, die sich mit Nachdruck durch das Gebüsch schieben.
    Mir war heiß unter der Schaube, doch trotzdem fröstelte ich.
    Sie kamen in Zweier- und Dreiergruppen oder ganz allein, in Abständen oder dicht hintereinander. Sie sprachen nicht. Sie trugen keine Fackeln, keine Laternen, keine Talglichter; ihren Weg fanden sie doch. Manche waren maskiert wie ich, andere trugen lediglich weite Kapuzenmäntel; in der Dunkelheit der Nacht waren so oder so keinerlei Gesichter auszumachen. Sie benutzten Pfade, die ausgetreten genug waren, um wenigstens einmal alle paar Wochen gegangen zu werden, und versteckt genug, um nicht weiter aufzufallen. Als ich genügend Mutgefasst hatte, arbeitete ich mich aus dem Gebüsch und schloss mich mit einigem Abstand einer der schweigenden Gruppen auf ihrem Weg in die Tiefe des Gräberfeldes an. Die Symbolik ihres Zieles drängte sich mir unangenehm auf. Der Himmel schimmerte vage vom Mondlicht, das die dünne Wolkendecke erhellte und das auch die zerbrochenen Säulen von Grabportici im Dickicht aufleuchten ließ wie die Knochen eines Skeletts zwischen Waldbäumen.
    Meine unfreiwilligen Führer brachten mich zu einer halbwegs intakten Gruft, deren Seelenhaus noch

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