Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
müder aus als an allen Tagen vorher, und sein Haarkranz war so zerzaust, dass ich beinahe sicher war, dass er ihn in der letzten Stunde mehrfach wütend gerauft hatte. Schließlich stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen. Gleichzeitig gähnte er.
»He, Petrus«, sagte er, »wie fühlst du dich?«
»Übernächtigt.«
»Ich auch. Wenigstens hatte der Idiot am Ende ein Einsehen. Er hat mich sogar gebeten, dem Bischof nichts davon zu erzählen. Ich sagte: Na gut, lassen wir Gras drüberwachsen. Aber Sie sind mir was schuldig.« Er grinste und gähnte dann. »Es schadet gar nichts, einen von diesen eingebildeten Domherren in der Hand zu haben.«
»Wie war's bei Bartholomäus Welser?«
Er zuckte zurück. In seine blassen Wangen kroch tatsächlich ein wenig Verlegenheitsröte.
»Äh ...?«
»Reine Zeitverschwendung«, sagte ich. Ich beschloss, mit der Tür ins Haus zu fallen. Immerhin hatte ich genauso viele Gründe verlegen zu sein, wie er. »Mir ging es nicht anders. Ich habe versucht, bei Hoechstetter herumzuschnüffeln. Ich bin reingekommen, aber fast noch schneller wieder raus.«
Gregor schien erleichtert, dass ich es ihm so einfach machte. »Ich hätte dich gebrauchen können«, platzte er heraus. »Es ging mir nicht besser als bei Jakob Fugger.«
»Vergiss es, Gregor«, sagte ich. »Das hier ist keine heimliche Fehde unter Kaufleuten, mit dem Messer statt mit der Feder ausgetragen. Du kannst noch bei den Gossembrots und Langenmantels und Peutingers und weiß Gott bei wem antanzen und bist am Ende so schlau wie zuvor.«
»Aber du hast doch bei Jakob Fugger herausbekommen ...«
»... dass Ludwig Stinglhammer der Spitzel seines Herrn war. Wenn ich anderen Leuten richtig zugehört hätte, wäre mir das schon vorher klar gewesen.«
Gregor zuckte mit den Schultern und sah zu Boden. Nachdem ich seinen Brief an den Bischof gelesen hatte, war ich mehr denn je davon überzeugt, dass er weiterhin versuchen würde, mich abzuschütteln und aus meinen Ermittlungsergebnissen Profit zu schlagen – sein Geständnis in der Gasse vor Jakob Fuggers Haus spielte keine Rolle. Wahrscheinlich war es früher schon so gewesen, ohne dass es mir damals bewusst geworden war (Bischof Peter hatte es durchschaut, das sah ich nun deutlich). Dabei konnte ich Gregor beinahe verstehen: All die schöne Selbstdarstellung in seinem Brief und das Risiko, seinem Mentor die Wahrheit zu verschweigen, lohnten sich nicht, wenn hinterher die Spatzen vom Dach pfiffen, dass jemand anderes den Fall gelöst hatte. Die Stelle des Stadtvogtes würde er damit nicht erringen, und Bischof Johann würde ihn vor die Tür setzen.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Gregor.
»Wir«, sagte ich und betonte das Wort, »statten Ludwig Stinglhammer einen erneuten Besuch ab.«
»In der Kapelle von Sankt Ulrich, wo sie ihn seit gestern Abend aufgebahrt haben? Was soll das denn?«
»Georg Hoechstetter hat heute das Haus voller Lieferanten.« Ich nickte. »Da ist für den Toten kein Platz. Ich frage mich, was er dem Propst zugesteckt hat, damit er und die frommen Schwestern des Klosters die Totenwache übernehmen.«
»So wie ich den Propst kenne, ein kleines Vermögen«, brummte Gregor.
»Ich meinte, dass wir das Haus Stinglhammers aufsuchen werden.«
»Willst du wirklich noch mal mit Konrad Hurlocher reden? Was willst du aus dem noch rauskriegen, außer dass er weiterhin täglich in das Gesinde eindringt?« Gregor machte ein verdrossenes Gesicht. »Sind dir eigentlich die nassen Flecken auf dem Boden von Stinglhammers Schlafkammer aufgefallen? Dreimal darfst du raten, wer hier kurz vor unserem Eintreffen noch auf den Knien gelegen hat und Hurlochers ...«
Ich winkte ab, und er brummte vor sich hin. »Und dann sagte er noch, sie habe den Mund schon ganz schön voll genommen!«
»Gregor, bitte. Der Morgen ist zu schön, um ihn mit Konrad Hurlocher zu versauen.«
»Du hast doch damit angefangen!«
»Karl Hoechstetter, Ulrichs Faktor, hat das Haus von Ludwig Stinglhammer schließen lassen. Es gehörte der Firma. Die Dienstboten sind alle weg – bis auf einen, den man ins Haupthaus übernommen hat, und bis auf die Küchenmägde, die bis zur Abschiedsfeier für Georg Hoechstetter gebraucht werden.«
»Der eine ist bestimmt Hurlocher ...!« Gregor spie abfällig aus.
»Nein, Hurlocher sitzt zurzeit vermutlich bei seinem Bruder, dem procurator generalis von Sankt Nikolaus, und klagt über die Schlechtigkeit der Welt – während dieser darüber nachdenkt, mit wie
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