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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Sie sich beeilen – der Faktor ist bei den Verhandlungen dabei, und die finden im großen Saal statt.«
    »Ich werde selbst unter dem dritten Grad schwören, dass Sie nichts damit zu tun haben.«
    Sie lachte. »Lassen Sie uns in der nächsten Gasse verschwinden.«
    »Weshalb?«
    »Weil Sie gleich Ihr Wams ausziehen und Ihr Hemd über die Hose hängen werden und ich nicht neben einem Mann gesehen werden will, der sich auf der Straße fast nackt auszieht. Sie sind ein Bauer, der mir hilft, meine Einkäufe ins Haus zu tragen.«
     
    Im großen Saal herrschte die Atmosphäre gezwungenen Frohsinns, die sich immer dann einstellt, wenn Geschäftskonkurrenten für eine Weile so tun müssen, als kämen sie gut miteinander aus. Mir war nicht entgangen, dass Elisabeth Klotz ihrem forschen Auftreten zum Trotz nervös in alle Richtungen gespäht hatte und offensichtlich erleichtert gewesen war, als ich ihre Einkäufe in einer von Hitze und durcheinander wimmelnden Menschen geradezu brüllenden Küche abgestellt hatte und in den ersten Stock hinauf verschwunden war. Dass sie mir wohlgesonnen war, änderte nichts daran, dass sie nicht gern mit mir als unerlaubtem Eindringling im Schlepp erwischt wurde. Lutz strich im Haus herum, und er gehörte nicht zu den Menschen, mit dem eine Angestellte der Firma Schwierigkeiten haben wollte.
    Ich blieb kurz hinter der Tür stehen und sah mich in dem menschenleeren Raum um, in dem ich am Vortag Karl Hoechstetter getroffen hatte, in einem teuren Gewand auf dem Boden knieend. Die Geräusche aus dem Saal drangen bis hierher, ein wirres Gemisch aus Stimmen und Gelächter und Stiefelsohlen auf einem schwingenden Holzboden. Mein Herz schlug heftig und laut, und ich fühlte mich so kurzatmig wie immer, wenn ich mich auf verbotenem Grund bewegte. Karl Hoechstetter hatte hier Arbeiten verrichtet, für die es genügend Hilfskräfte gegeben hätte. Dafür gab es zwei Möglichkeiten der Erklärung: Der Faktor gehörte zu den Menschen, die selbst Nebensächlichkeiten nicht zu delegieren vermochten, oder die scheinbarnebensächlichen Aufgaben waren von so hoher Wichtigkeit, dass nur er sie erledigen konnte.
    Auf die Beschäftigung mit Ludwig Stinglhammers Papieren traf wohl Letzteres zu. Alles, was ich inzwischen über den Mann erfahren hatte, sprach dafür, dass seine Dokumente brisanter waren als eine glimmende Fackel in einem trockenen Strohhaufen.
    Ich blickte auf den leeren Stuhl und die leeren Schreibtische am Fenster. Jemand im Saal lachte laut, wiehernd wie ein Pferd, ohne dass die anderen einfielen. Um die Peinlichkeit zu überspielen, lachte er noch lauter. Langsam ging ich zu dem Aschehaufen im Kamin hinüber. Ich konnte von weitem sehen, dass das Feuer ganze Arbeit geleistet hatte – der Haufen war über einen Fuß hoch, eine Menge Papier musste dort gebrannt haben. Es war keinerlei Rest eines weißen Blattes mehr zu erkennen. Wer immer über das Feuer gewacht hatte, musste den Haufen zusammengekratzt haben, damit das Feuer auch das letzte Fitzelchen verzehrte. Was mich wunderte, war, dass den Aschehaufen noch niemand weggetragen hatte. Ich bückte mich nach einem Schürhaken und stocherte in der Asche herum. Ein paar Flocken zerstäubten, und ein handtellergroßes Stück Pergament tauchte auf, von der Form her unversehrt, aber pechschwarz verbrannt, die Buchstaben noch erkennbar als silbrige Spuren. Ich berührte es versehentlich mit der Spitze des Schürhakens, und es zerfiel vor meinen Augen.
     
    »Wen suchen Sie?«, fragte eine raue Stimme in meinem Rücken, und ich erstarrte. Für einen Moment schien alles Blut aus meinem Kopf zu weichen und meine Knie wurden weich. Dann drehte ich mich langsam um.
    Es war nicht Lutz. Ich kannte den Mann nicht, genauso wenig wie er mich – eine Tatsache, für die ich dankbar war. Er sah mich misstrauisch von oben bis unten an, und ich war froh, dass ich mich wieder anständig gekleidet hatte. Ich lehnte den Schürhaken an den Kamin und setzte eine verächtliche Miene auf.
    »Den Hausherrn, was sonst?«
    »Die Herren sind im großen Saal«, erklärte der Mann, von meiner aufgesetzten Arroganz nur wenig eingeschüchtert.
    »Wenn ich in den großen Saal gewollt hätte, wäre ich ja wohl dort, oder?«
    Er blinzelte überrascht. »Nicht?«
    »Nein, ich warte hier auf ihn.«
    »Aber alle anderen ...«
    »Ich bin nicht alle anderen, merk dir das.«
    »Hier dürfen Sie nicht bleiben.«
    »Wer sagt das?«
    »Das ist das Zimmer des Faktors. Kein Fremder hat hier

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