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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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anzufassen. In dieser Hinsicht waren sie genauso hasenfüßig wie die Ratsherren, die sich draußen am Ufer gegenseitig davon überzeugten, dass der Engel des Todes in Augsburg leibhaftig geworden war. Immerhin hatten sie mithilfe der Stange des Flößers, ihrer Spieße und eines Seils den toten Bürgermeister an Land gezogen. Er lag auf dem Rücken und starrte in den Himmel, in dem die letzten Reste der Dämmerung im Westen vergingen. Sein Haar klebte an seinem Schädel und er wirkte jünger und schmaler, als ermir lebend erschienen war. Sein Gesicht war unverletzt. Das Fackellicht glitzerte in den Wassertropfen, die über seine Wangen liefen, aber nicht in seinen Augen. Um seine Schultern war ein dünner, dunkler Mantel gewickelt, in dem sein Körper sich verfangen hatte wie ein Fisch in einem zerrissenen Netz.
    Hoechstetter wies auf die Vorderseite von Jos Onsorgs Wams. Im Brustbereich war der Stoff zerfetzt und zerschnitten. Das Blut hatte das Wasser mit sich genommen, aber man konnte deutlich sehen, wo das Messer zugestoßen hatte, einmal, zweimal, ein Dutzend Mal. Man kann einen Mann mit einem Messerstich wehrlos machen, aber ihn zu töten bedarf es Geschick und einer ruhigen Hand. Der Täter hatte Onsorg mit dem ersten Stich außer Gefecht gesetzt, dann hatte er den Taumelnden zu sich herangezogen und wieder und wieder zugestoßen, bis er das Herz getroffen hatte oder das Leben aus seinem geschwächten Opfer geronnen war. Dann hatte er ihn ins seichte Uferwasser gleiten lassen. Es hatte Kraft gebraucht, diese Stiche zu führen und den Sterbenden gleichzeitig festzuhalten, sodass er sich nicht in Todesangst losreißen konnte.
    »Verdammte Schlächterei«, sagte Langenmantel. »Jeder Metzger trifft besser.«
    Hoechstetter atmete tief ein und schüttelte den Kopf. »So sterben zu müssen«, murmelte er.
    Der Mörder hatte sich keine Mühe gegeben, den Toten weiter hinauszustoßen, damit die Wertach ihn mitnahm. Nach dem Bürgermeister würde so oder so gefahndet werden, und der Aufruhr war geringer, wenn die Leiche sofort gefunden wurde.
    Ich sah Langenmantel und Hoechstetter über die Schulter. Schließlich bückte sich Langenmantel und drückte dem Bürgermeister die Augen zu. Die Waibel bekreuzigten sich erneut. Langenmantel zupfte an dem dunklen Stoff, in den sich der Tote verwickelt hatte, und zerrte unter dessen Kinn etwas hervor, das wie eine zerrissene, enge Kapuze aussah, in die dicht nebeneinander zwei Löcher geschnitten waren. Er betrachtete sie ratlos, dann legte er sie zurück und stand auf.
    Ich selbst befand mich in seltsamer Stimmung. Als ich den Toten dort zwischen den Brennnesseln und dem hohen Gras liegen sah, erkannte ich, dass ich ihn trotz seiner Ruppigkeit gemocht hatte. Er war ein aufrechter Mann gewesen, der weniger schön geredet als gehandelt hatte. Ich bedauerte seinen Tod. Dennoch war ich gleichzeitig erleichtert. Die Art und Weise des Mordes zeigte deutlich, dass der Täter ein Mann war.
    Meine Tochter Maria war unschuldig.
     
    Gregor saß im Arbeitszimmer des Bischofs und wühlte in Papieren. Als ich eintrat, sah er auf, dann lächelte er und packte sie weg, um mir zu zeigen, dass er ganz für mich da war. Er hatte noch tiefere Augenringe als sonst, und sein Nasenrücken war beinahe weiß, so gespannt war die Haut darüber.
    »Wo treibst du dich denn die ganze Zeit herum?«, fragte er und versuchte, aufgeräumt zu wirken. »Ich habe dich gesucht.«
    »War Albert nicht bei dir?«
    »Der alte Idiot? Nein. Wieso denn?«
    »Weißt du denn nicht, was passiert ist?«
    Er sah mich einen Augenblick lang schweigend an. »Onsorg ist tot«, sagte er dann.
    »Woher ...?«
    »Die Spatzen pfeifen es schon von den Dächern.« Er blickte zum Fenster hinüber, das nachtschwarz war und ihn und mich und das Dutzend Lichter widerspiegelte, die im Raum brannten. »Oder eher die Eulen, in diesem Fall.«
    »Warum bist du nicht dort gewesen?«
    »Was sollte ich dort? Das ist Sache der Stadt.«
    »Das ist ein Notfall. In Notfällen haben der Bischof und die Stadt noch immer zusammengearbeitet.«
    Er zuckte mit den Schultern und betrachtete die Tischplatte. »Ich glaube nicht, dass ich willkommen gewesen wäre.«
    »Dort aufzukreuzen und Hilfe anzubieten hätte deinen Zwist mit den Stadtbehörden vielleicht beigelegt.«
    Er zuckte wieder mit den Schultern.
    »Außerdem war Ulrich Hoechstetter auch dort.« Georg sah überrascht auf. »Ist er zurück?«
    »Ja, gerade eben.«
    »Mhm.« Er nickte und kniff die

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