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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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er und sackte in sich zusammen. Der Blick, den er mir zuwarf, war voller stillem Vorwurf. »Sie handeln unrecht an mir. Ich habe Sie im Schwarzen Fass vor dem Schläger gerettet.«
    Er hatte Recht. Trotzdem konnte ich nicht zulassen, dass er sich herauswand. Ich wusste immer noch nicht, ob meine Vermutung zutraf, aber der Verdacht war so stark, das ich ihm folgen musste. Und es war die einzige Möglichkeit, Maria von allem reinzuwaschen.
    »Fangen Sie an«, sagte ich leiser. »Ich bin immer noch Ihr einziger Freund, auch wenn Sie es nicht glauben.«
     
    Er hatte noch nicht einmal genügend Zeit, das Trigramm fertig zu zeichnen. Alles, dessen es bedurfte, war sein heiserer Singsang aus verballhornten lateinischen Worten und abgehackten Phrasen aus der heiligen Messe. Aus dem Nirgendwo ertönten ein Stöhnen und die Geräusche eines Körpers, der versucht, aus einem Gefängnis auszubrechen. Die drei Männer wurden bleich. Wilhelm geriet ins Stottern, aber er machte weiter. Seine Hand zitterte, als er versuchte, das Kreidesymbol auf dem Boden zu vollenden.
    Eine erstickende schwarze Wolke hüllte uns ein. Gregor schrie auf und bekreuzigte sich.
    Die Wolke kam aus dem Kamin, und mit ihr kam eine schwarze Gestalt, ein keuchendes, fauchendes Wesen aus der Hölle mit blutrotem Gesicht und der Statur des Teufels selbst: breit, massiv, erdrückend.
    Das Höllenwesen trat einen Schritt in den Raum, stolperte über Karl Hoechstetters Leichnam, fiel vor Hilarius Wilhelm auf den Boden und begann mit heiserer Stimme zu weinen.
    »Da haben Sie Ihren Dämon«, sagte ich zu dem Alchimisten, dessen Gesicht weiß wie die Wand geworden war.
    Es war der schwachsinnige Junge.
     
    Wilhelms Geschichte war kurz und gemein, so gemein wie die Menschen, die die Handlung festgelegt hatten, so gemein wie das Leben.
    Dädalus, der viel gereist war, hatte die Lösung am französischen Königshof gesehen: die Lösung zu dem Dilemma, das er und Karl Hoechstetter verursachten, als sie eine gewaltige Summe von Ulrich Hoechstetters Kapital in den Aufstand der Familie Pazzi gegen Lorenzo de' Medici steckten – ungefragt, unerlaubt und vor allem unbedacht – und der Aufstand fehlschlug. Dädalus hatte den Hoechstetter-Stützpunkt in Bologna fluchtartig verlassen, bevor Lorenzos Anhänger die Spuren bis zu ihm verfolgen konnten. Wäre Ulrich Hoechstetter nicht im Burgundischen auf Reisen gewesen, wäre die Geschichte sofort aufgeflogen. Doch er hatte als Wächter über seine Angelegenheiten Ludwig Stinglhammer zurückgelassen – ein seit Jahren bestehendes Arrangement, von dem Dädalus und Karl nichts wussten. So kamen sie auf den Gedanken, zu versuchen, den Geldverlust irgendwie auszugleichen. Das schien das, was Dädalus in Frankreich gesehen hatte, möglich zu machen: Alchimisten. Weise Männer, die aus Dreck Gold machten.
    »Das kann nicht sein«, sagte Ulrich Hoechstetter heftig. »Die beiden waren Kaufleute. Kein Kaufmann glaubt an so etwas.«
    »Jeder Kaufmann glaubt daran, dass sich Geld vermehren lässt«, erwiderte ich. »Lassen Sie ihn weiterreden.«
    Hilarius Wilhelms Experimente hielten nicht, was Dädalus und Karl Hoechstetter sich davon versprochen hatten. Die Zeit war zu kurz. Der Druck war zu groß. Die Essenzen waren zu schwach. Wenn das nicht die Gründe waren, war es etwas anderes. Irgendwann kamen sie zu dem Schluss, dass sie auf die Art niemals an Gold kämen und dass das schlicht und einfach daran lag, dass Hilarius Wilhelm es nicht konnte.
    Sie entließen ihn aus ihren Diensten.
    »Das war das einzig Vernünftige an dieser ganzen Wahnsinnstat«, bemerkte Ulrich Hoechstetter.
    Ach ja? Hilarius Wilhelm raffte sich auf und taumelte mit betrunkener Würde aus seiner kauernden Position in die Höhe. Er zerrte sich das Hemd vom Leib, und wir zogen die Luft ein. Sein Oberkörper war eine Landschaft aus verkrusteten Blutergüssen und abgeschürften Stellen. Er sah beinahe schlimmer aus als ich.
    Man hatte ihn zu einem Treffpunkt in einer der Lagerhallen bei den Fischergräben bestellt und dort von einem der Dienstboten halb tottreten lassen. Glücklicherweise hatte er den Jungen nicht mitgenommen, sonst hätte dieser sich sicher auf den Peiniger gestürzt, und dann wären sie vermutlich beide an Ort und Stelle erschlagen worden. Jedenfalls hatte Hilarius Wilhelm den Eindruck, dass man seiner Dienste nicht mehr bedurfte. Während er vor Schmerz wimmernd auf dem Boden lag, hatte der Mann, der ihn getreten hatte, in aller Seelenruhe seine

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