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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Kopf.
    Ich öffnete die Tür wieder.
    »Hat er wirklich gesagt, er ist ein Alchimist?«, fragte Gregor staunend. »Ja.«
    »So ein Irrsinniger. Was sucht er hier? Die Behörden haben den Befehl ausgegeben, alle zu verhaften, die sich mit Okkultismus, Zauberei oder Nigromantie befassen. Jos Onsorg ist ein Hexenfresser; so ein mieser kleiner Scharlatan kommt ihm gerade recht. Entweder er lässt ihn aufhängen, weil er ein Betrüger ist, oder er lässt ihn verbrennen, weil er mit Dämonen im Bund steht.«
    »So sehr fürchtet man sich in dieser Stadt?«
    »So sehr fürchtet Jos Onsorg sich.«
    »Wir hätten damals ...«, begann ich.
    »Wir haben das Richtige getan. Vielleicht den Falschen erwischt, aber das Richtige getan.«
    »Nein«, sagte ich. »Wenn die Angst, die in Augsburg herrscht, berechtigt ist, haben wir das Falsche getan. Wir haben aufgehört, bevor wir fertig waren.«
    »Deine Tochter?«
    »Wenn ich sie gefunden habe, nehme ich sie mit.«
    »Es tut mir Leid.«
    »Ja, mir auch.« Dabei wusste ich nicht, was mir Leid tat. Vielleicht der Tag, an dem ich geglaubt hatte, Gregor und ich seien Freunde. Ich wandte mich ab.
    »Ich muss zu einer Beerdigung«, sagte ich.

6.
    Der Himmel war verschleiert, als ich wieder ins Freie trat, um Martin Dädalus auf seinem letzten Weg zu begleiten. Irgendwann nach meinem Eintreten in den Bischofspalast hatte sich dort oben eine Faust geballt und das unnatürlich tiefe Blau ausgelöscht, das sich in den Morgenstunden über den Dächern erhoben hatte. Der Himmel hatte nun jede Tiefe verloren; er drückte die Hitze in die Gassen hinab, die Luft schien zu stehen. Es ist nie ein gutes Zeichen, wenn ein Unwetter sich noch vor dem Mittag zusammenbraut. Der Fronhof war so menschenleer wie bei meiner Ankunft. Ich erinnerte mich, dass trotz der Abneigung, die die Augsburger Bischof Peter entgegenbrachten, sein Palast und dessen Umgebung doch immer von Menschen gewimmelt hatten: Bittsteller, Beschwerdeführer, Händler, Pächter und Lehensnehmer. Entweder hatte der neue Bischof Johannes eine andere Politik eingeführt; oder es lag an seiner Abwesenheit und daran, dass der Burggraf seine Geschäfte zu führen versuchte.
    Ich mied die Märkte im Herzen der Stadt mit ihren Stadeln und Marktständen und ging über den Gansmarkt in Richtung der nach Gögging gelegenen westlichen Stadtmauer. Sankt Ulrich lag im Süden der Stadt, fast direkt hinter dem Roten Tor. Ich hatte kein Bedürfnis danach, mich die ganze Strecke lang durch das Menschengewühl zwischen Brotmarkt und Weinmarkt zu schieben. Noch immer hatte ich das streitlustige Grölen der frühmorgendlichen Betrunkenen im Ohr und mehr als das die Gesichter in der Menge vor Augen, als man die Hexe abgeführt hatte. Gregor hatte Unrecht; es war nicht nur Jos Onsorg, der Angst hatte.
    Sankt Anna war eine kleine Kirche, die eng zwischen densie umgebenden Häusern stand, ein geschäftsmäßig schlichtes Gotteshaus in einer geschäftsmäßigen Umgebung, in der näheren Nachbarschaft das Zunfthaus der Metzger, ein Seelhaus für arme, obdachlose Frauen, eines der jedermann zugänglichen Bäder und die nur von außen schmucklose Kapelle der Goldschmiedezunft. Hatte mich auf dem Gansmarkt noch das Geschnatter der Tiere umgeben, die sich zusammendrängten und nervös in den milchigen Himmel spähten, war ich in der Gasse, die an Sankt Anna vorbei zum Gögginger Tor führte, fast völlig allein. Direkt vor dem Kirchenportal stand eine kleine Gruppe bunt gekleideter Menschen, von einem lockeren Ring Zuschauer umgeben, die offensichtlich nur stehen geblieben waren, weil sie nichts Besseres zu tun hatten. Ich hörte das Klingeln von vielen Glöckchen.
    Ein kleiner Hund versuchte, auf den Rücken einer Ziege zu springen, während diese mit hängendem Kopf dastand und es über sich ergehen ließ; der Hund hechelte mit weit heraushängender Zunge und seine Augen waren blank vor Angst. Er schien zu klein für den großen Satz, der von ihm verlangt wurde, die Hitze drückte ihn nieder und ließ seine Flanken pumpen, und das Halsband mit dem Dutzend Glöckchen machte seine Aufgabe nicht leichter. Unter den Rufen der Zuschauer trippelte er in gebückter Haltung herum und versuchte, eine bessere Absprungbasis zu finden. Die Menschen in den bunten Kleidern waren Gaukler, die für einen Auftritt auf dem Marktplatz probten und sich dazu in diese vergleichsweise stille Seitengasse zurückgezogen hatten. Der Mann, der für den Ziegentrick zuständig war, ließ eine

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