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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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kurze Lederpeitsche neben dem Hund auf das Pflaster knallen, und das kleine Tier jaulte auf und kroch seitlich davon. Die Peitsche knallte ein weiteres Mal, diesmal auf der anderen Seite des Hundes, der in seiner Fluchtbewegung erstarrte. Sein Herr bellte einen Befehl, und er winselte und kauerte sich noch enger an den Boden, die Augen starr auf den Rücken der Ziege gerichtet. Plötzlich machte er einen unbeholfenen Satz und schnellte hoch auf das Hinterteil der Ziege. Dort konnte er jedoch keinen Halt fassen und rudertemit den Pfoten, rutschte herab und biss seinem unfreiwilligen Reittier in die Hinterbeine, um sich zu halten. Die Ziege schlug aus, der Hund wirbelte durch die Luft und schlitterte über das Pflaster, und schon klatschte das Ende der Peitschenschnur wieder links und rechts von ihm auf den Boden, um jeden Gedanken an Flucht im Keim zu ersticken. Der Hund kam auf die Beine und schnappte nach der Peitsche, bis sie leicht seinen Rücken streifte und er sich laut aufheulend duckte.
    »Ich hab gedacht, es würde der Ziege schon beim letzten Versuch zu dumm werden«, sagte einer der Umstehenden.
    »Vielleicht solltet ihr es mal andersrum versuchen – die Ziege springt dem Köter auf«, schlug ein anderer vor und erntete Gelächter. Der Mann, der mit dem Hund übte, machte ein finsteres Gesicht. Er ging mit einem langen Schritt auf das kleine Tier zu und packte es im Genick, hob es in die Höhe und starrte in die hervortretenden Augen.
    »Du lernst es, oder du kommst in die Suppe!«, knurrte er. Die Zuschauer lachten, und er zwinkerte ihnen zu. »Keine Angst, Herrschaften«, rief er dann, »der Hund verstellt sich nur. In Wirklichkeit beherrscht er den Trick ganz vorzüglich. Kommen Sie zu unserer Vorstellung beim Tanzhaus, dann werden Sie es sehen.«
    Er schüttelte den Hund und setzte ihn wieder zurück auf den Boden; das Tier duckte sich und wich zurück, die Lefzen über die Zähne gezogen und knurrend. Sein Herr lachte.
    »Sehen Sie, das ist der beleidigte Künstlerstolz.« Er deutete auf den Mann, der vorgeschlagen hatte, den Trick anders herum vorzuführen. »Der war's! Zerreiß ihn!«
    Der Hund ließ die Augen nicht von seinem Herrn. Der angesprochene Zuschauer knurrte grinsend in Richtung des Hundes. Schließlich seufzte der Gaukler und zog ein handspannenlanges Stück getrocknetes Fleisch aus seinem Rock. Er bückte sich und hielt es dem aufgebrachten Hund vor die Schnauze.
    Ich drehte der Szene den Rücken zu und ging weiter. Hinter mir hörte ich die Zuschauer lachen und Witze reißen. Schließlich klatschte jemand in die Hände, und nach und nach fielenweitere ein. Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass der Hund das Stück knorpeligen, ledrigen Fleisches angenommen hatte und jetzt flach auf dem Bauch lag, um daran herumzukauen. Er schleuderte die zähe Wiedergutmachung herum. Seine Glöckchen klingelten wie die eines Narren.
     
    Das Latein des Priesters war so lustlos und ungeschliffen, dass ich kein Wort von seiner Rede verstand. Er las aus einer Bibel, die ein Ministrant aufgeschlagen vor ihm in die Höhe hielt; ein zweiter schwenkte einen Weihrauchkessel, dessen Schwaden in der Hitze aufdringlich nach Brand rochen und zu Boden sanken, statt zum Himmel aufzusteigen. Dädalus war ein umhüllter Körper auf seinem Totenbrett, der neben dem offenen Grab lag. Er schien wohlhabend genug gewesen zu sein, sich ein Einzelgrab leisten zu können. Etwas abseits standen vier Männer in schlichter dunkler Kleidung, die die Hände gefaltet und die Köpfe gesenkt hatten. Noch weiter abseits sah ich eine Frau, so stumm wie die Männer. Es ist ein Zeichen von Wertschätzung, wenn die Frauen am offenen Grab klagen und laut weinen; für den Fall, dass die Angehörigen eines Verstorbenen das Gefühl haben, mit der Wertschätzung des Hingeschiedenen sei es nicht so weit her, gibt es Klageweiber, die man bezahlen kann, um den äußeren Schein zu wahren. Niemand schien dies bei der Beerdigung von Martin Dädalus in Betracht gezogen zu haben. Der Ministrant schwenkte den Weihrauchkessel heftig; die Temperaturen waren nicht so, dass ein Leichnam die Zeit seiner Aufbahrung und den Weg bis zu seinem Grab schadlos überstand. Dazu war der Friedhof ein kleiner, gedrängter Platz, der die zusätzliche Hitze erhielt, die von der Flanke des Kirchenschiffs abstrahlte; der Priester und die Ministranten schwitzten. Insgesamt nahm sich das kleine Grüpplein, das den Verstorbenen begleitete, trotz der Enge des

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