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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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einschlich, wenn man zugab, Beauftragter von Bischof Peter zu sein. Ich hatte des Bischofs ehrliche Sorge gesehen hinter seinen Bemühungen, die alten Rechte des Adels wieder herzustellen, und den Menschen hinter der beinahe undurchdringlichen Maske aus Anmaßung und groben Reden gekannt; ich hatte Stolz gefühlt, als sein Vertrauter zu gelten. Ich hatte mir vorgemacht, dass der Hass, den die Augsburger ihm gegenüber empfanden, ebenso vorgeschoben war wie seine Arroganz und eher Ausdruck einer Haltung war als eines Gefühls.
    »Wenn man den Lebensweg eines Mannes daran misst, wie viele Trauernde sich zu seiner Beerdigung einfinden, dann hat es sich Dädalus jedenfalls nicht zur Aufgabe gemacht, Freunde zu gewinnen«, erklärte mein Gesprächspartner.
    Das Schlagwerk der Kirchturmuhr setzte mit einem dünnen Läuten ein; damals war es Gegenstand des Streits zwischen Bischof Peter und den Pfarrherren von Sankt Ulrich gewesen. Der Priester am Grab hielt inne und sah nach oben. Er räusperte sich und begann einen letzten Monolog.
    »War das Haus Hoechstetter beim Gottesdienst?«
    »Ich war nicht in der Kirche.« Der Mann trat wieder einen Schritt auf mich zu, obwohl es nicht so wirkte, als habe er seineplötzliche Abneigung gegen mich überwunden. Ich blinzelte, als er zu grinsen begann.
    »Was tun Sie dann hier? Sind Sie der einzige Freund des Toten?«
    »Ich warte, bis der Priester fertig ist.«
    »Und dann?«
    Er grinste noch breiter. »Lege ich den teuren Verblichenen hinein und schaufle das Grab zu.«
    »Sie sind der Totengräber!«
    »Sie waren einer von Bischof Peters Bluthunden. Sie sind ein Fremder geworden. Gehen Sie dorthin, wo Sie jetzt hingehören.«
    »Ich glaube nicht, dass ich nun verfemt bin, nur weil ich mit Ihnen gesprochen habe. Der Mann zählt, nicht sein Beruf.«
    »Sie sind verfemt, wenn Sie zugeben, was Sie früher getan haben«, erklärte er, aber seine Stimme war sanfter geworden. Er musterte mich nochmals. »Als ich noch ein Leben hatte, war ich Metzgergeselle. Bei einer Hinrichtung rollte mir der abgeschlagene Kopf eines Verurteilten vor die Füße. Ich packte ihn und warf ihn dem Henker zurück. Ich war jung und betrunken und dachte mir nichts dabei.«
    »Wer ist die Frau?«, fragte ich.
    Er wandte sich ab und sah zu der Beerdigung hinüber. Der Priester bückte sich sichtlich unwillig und hob eine Faust voll Erde auf. Er streute etwas davon ins Grab und etwas über den Leichnam von Martin Dädalus. Dann schlug er das Kreuzzeichen und wandte sich ab, gefolgt von den Ministranten. Die Männer, die den Leichnam hergetragen hatten, hoben die Köpfe und blickten fragend zu uns herüber. Der Totengräber nickte und straffte sich.
    »Besuchen Sie das Grab von Bischof Peter«, sagte er und schritt über die Grabplatten hinüber, um einen Mann ohne Freunde unter die Erde zu bringen.
     
    Der Körper von Martin Dädalus rutschte über das schräg gehaltene Totenbrett ins Grab; sanfter als ich erwartet hatte.Inzwischen war die Wirkung des Weihrauchs verflogen und die Helfer des Totengräbers verzogen die Nasen, als das Bewegen der Leiche die Gerüche aufsteigen ließ. Das Totenbrett legte der Totengräber auf den Leichnam, bevor er und seine Helfer sich bekreuzigten. Ich warf einen Blick zu der verschleierten Frau hinüber, die noch immer so reglos wie zuvor stand. Sie hatte während der ganzen Zeremonie nicht einmal das Kreuz geschlagen, und ich begann daran zu zweifeln, dass sie eine Angehörige des Ermordeten war. Die Glocke klang immer noch dünn – danach zu urteilen, war sie die bösen Worte nicht wert gewesen, die seinerzeit zwischen Bischof Peter und den Pfarrherren gefallen waren. Der Totengräber und seine Helfer griffen nach hölzernen Schippen, die neben dem Grab gelegen hatten, und begannen, die lose Erde hineinzuschaufeln.
    Plötzlich gab sich die Frau einen Ruck und trat an das Grab heran. Sie stand einen Moment unschlüssig da, dann griff sie in eine lederne Gürtelbörse und nahm etwas heraus. Sie drehte es zwischen den Fingern und schleuderte es dann in das offene Grab. Der Totengräber bekreuzigte sich nochmals, während die Frau sich umwandte und dann zum Ausgang des Friedhofs strebte; ihre hastige Gangart erinnerte mich an jemanden. Der Totengräber sah zu mir herüber. Er wirkte überrascht.
    Ich ging zu Dädalus' Grab. Der Totengräber wartete auf mich.
    »Haben Sie so etwas schon gesehen?«, fragte er und deutete auf das, was dem Toten soeben ins Grab gelegt worden war. Ich

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