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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Erde, der schon nach dem zu erwartenden Gewitterregen in den nächsten Stunden einzusinken beginnen würde.
    Marias Augen waren trocken. Ich hatte Tränen erwartet. Vielleicht hatte sie schon zu viele vergossen. Mir war nur zu bewusst, dass ich auch dafür verantwortlich war. Im Nachhinein fragt man sich oft, ob man anders hätte handeln können; das tat auch ich und wusste keine Antwort. Florenz schien weiter zurückzuliegen als nur ein paar Monate. Ich schämte mich für meine Erleichterung, als ich den Namen dessen hörte, den Maria für den Mörder ihres Gatten hielt. Dabei war mir nichts klarer, als dass es nur einen Menschen geben konnte, der Maria die Wahrheit über die kurze Bekanntschaft zwischen ihrem Vater und ihrem Mann mitteilen konnte. Und dieser Mensch war ich.
    »Was hat man dir denn erzählt?«, fragte ich.
    »Mir hat man gar nichts erzählt. Ich bin nur die dumme Witwe, der man ein paar Pfennige auszahlen musste, weil es der Brauch verlangte. Ich bete täglich, dass die Herren des Hauses Hoechstetter für jede Leitersprosse büßen, die Johann auf seinem letzten Gang steigen musste.«
    »Hast du gehofft, Ulrichs Söhne hier zu treffen? Um ihnen am Grab von Martin Dädalus Vorwürfe zu machen?«
    »Glaubst du, ich wusste nicht genau, dass sie hier nicht erscheinen würden?«
    »Aber das Trigramm. Was für eine Bedeutung hat es, dass du es Dädalus als Totengabe ins Grab geworfen hast, und was hat er mit alldem zu tun?«
    »Als Johann mich mit nach Augsburg nahm, war ich ihm dankbar, aus deinem Schattenhaus in Landshut fliehen zu können. Doch ich hatte nur den einen gegen den anderen Schatten eingetauscht. Als man erfuhr, dass ich deine Tochter bin, hieß es überall: ›War Ihr Vater nicht die Kreatur des verdammtenBischofs? Es ist natürlich nicht Ihre Schuld. ‹ Und dabei konnte man ihnen ansehen, dass sie das Gegenteil dachten. Johann hat zu mir gehalten, selbst als wohlmeinende Freunde ihm erklärten, dass dein Name – mein Name! – nicht gut in das Haus eines aufrechten Augsburger Bürgers passe.«
    »Haben dein Mann und Dädalus sich gekannt?«
    »Weswegen bist du hier, Vater? Du sagst, du willst mit mir reden, und die Hälfte deiner Fragen gilt dem Mann, der dort drüben unter die Erde gebracht wurde.«
    »Gib mir die Gelegenheit, dir alles zu erklären.«
    »Geh nach Hause, Vater. Wo immer das ist.«
    »Wo ist deines?«
    Sie biss die Zähne zusammen und sah mich hasserfüllt an.
    »Maria, gib mir eine Chance.«
    »Und versuch nicht, mir nachzuschnüffeln! Ich war noch ein kleines Mädchen, als du für den Bischof gearbeitet hast, aber ich wusste damals schon, was deine Hauptaufgabe war.«
    Sie drehte sich abrupt um und eilte mit dieser so schmerzlich an meine verstorbene Frau erinnernden Gangart davon. Aus den Wolken, die sich im Westen formiert hatten, drang das erste Donnergrollen herüber, doch das Sausen in meinen Ohren war lauter. Maria bog um die Ecke und verschwand hinter der Seitenflanke der Kirche. Wenn sie mich geschlagen hätte, hätte mich das nicht mehr aus dem Gleichgewicht gebracht. Was hast du erwartet, du Narr?, fragte ich mich. Dass deine Kinder dir um den Hals fallen, wenn du angekrochen kommst? Was wird Maria erst von dir halten, wenn sie von den wirklichen Ereignissen in Florenz erfährt und von deiner Rolle beim Tod ihres Mannes?
    Ich wünschte, ich hätte Jana um Rat fragen können.
    Ich wünschte, ich hätte Bischof Peter um Rat fragen können.
    Ich setzte mich in Bewegung und lief hinter Maria her. Sie jetzt gehen zu lassen schien mir plötzlich der größte Fehler, den ich in dieser Situation begehen konnte. Doch die Kirchenglocken von Sankt Ulrich hatten nicht nur die Zeit geschlagen,sondern auch die Gemeinde zur Messe gerufen, jetzt, da die Beerdigung vorüber war, und die Kirchenbesucher trafen in Trauben auf dem engen Platz vor dem Hauptportal ein, atemlos von ihrem Weg in der drückenden Hitze und beunruhigt in die Wolken starrend, die sich wie ungeheure Fäuste nach der Stadt reckten. Als ich mich durch die Hälfte der dicht stehenden Menschen gedrängt hatte, musste ich einsehen, dass ich Maria aus den Augen verloren hatte.
    Der Himmel verdunkelte sich rasch.
    Schon wieder hatte ich alles falsch gemacht.
    Wind kam auf.

9.
    An Martin Dädalus' Grab hatten sich zwei verspätete Trauernde eingefunden. Als ich näher kam, erkannte ich Hilarius Wilhelm und seinen schwachsinnigen Knaben. Ich wusste nicht, woher sie gekommen waren, denn sollten sie den Friedhof

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