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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Herberge verlassen.«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    Ich bekam keine Antwort. Ihre Hände zupften an der ruinierten Naht ihres Rocks.
    »Wenn du nicht alleine lebst – ich meine, ich könnte das verstehen, du brauchst dich nicht zu schämen vor mir.«
    Sie hob ihren Blick, und zum ersten Mal sah sie mir länger als für einen unangenehmen Moment in die Augen.
    »Ich bin Witwe, Vater!«, erklärte sie mit Nachdruck.
    »Ja, ich weiß.«
    »Ich bin meinem Mann eine treue Frau gewesen.«
    »Ich teile deinen Schmerz.«
    Maria blinzelte. »Wirklich? Ist es nicht mehr dein eigener Schmerz, den du fühlst?«
    »Es hat sich alles geändert.«
    »Das hat es.«
    »Wusstest du, dass Dädalus ermordet wurde?« Ihrem Schweigen war weder Überraschung noch Bedauern anzumerken.
    »Das Trigramm aus Stroh«, sagte ich, »sollte es ihn beschützen, oder die Lebenden vor ihm?«

8.
    »Was weißt du davon?«
    »Mehr als du denkst, mein Kind.«
    »Nach all den Jahren fällt dir ein, dass ich dein Kind bin.«
    Ich sagte so ruhig ich konnte: »Ich verstehe, dass du zornig bist.«
    Ihre Augen flackerten. Ich erschrak beinahe, wie abrupt die Wandlung kam. »Jeder sagt, er versteht mich!«, stieß sie hervor. »Weißt du, wer mich wirklich versteht? Das weißt du nicht. Du am allerwenigsten. Was weißt du von mir? Was wusstest du von Johann?«
    »Dass ich mich in Florenz mit ihm getroffen habe, ist dir bekannt?«
    »Wo sie ihn umgebracht haben«, sagte sie bitter.
    »Maria, ich weiß mehr über die Geschichte ...«
    »Ich weiß alles, was ich wissen muss! Ich kenne seinen Mörder!«
    Ich schluckte und verstummte. Auf einmal wurden mir die Knie weich und meine Hände womöglich noch kälter. Die Wangen meiner Tochter hatten jetzt Farbe bekommen, doch gesund sah sie nicht aus. Ich hatte ihr sagen wollen, wer der wirkliche Mörder ihres Mannes war, aber nun versetzte es mich in rasende Angst zu erfahren, dass sie anscheinend schon Bescheid wusste. Der Himmel drückte auf die Türme und die stolzen Bürgerhäuser Augsburgs herab, nicht weniger schwer als die Erde auf den frisch verscharrten Leichnam wenige Schritte von uns entfernt. Das Gewitter wälzte sich auf seinem Weg von den Bergen langsam heran; in Landsberg mochte es bereits den Tag zur Nacht gemacht haben. Ich war seit dem Vorabend in meiner ehemaligen Heimatstadt, undalles, was ich bis jetzt vermocht hatte, war, schmerzliche Erinnerungen wachzurufen.
    Als wir uns außerhalb Münchens getrennt hatten, hatte Jana mir gesagt, es sei vergebliche Liebesmüh, die Fehler der Vergangenheit gutmachen zu wollen. Sie hatte wie immer besser als ich gewusst, was mein eigentliches Anliegen war. Angeblich hatte ich die Absicht, meiner verwitweten Tochter zu gestehen, dass ihr Mann den Weg zum Galgen meinetwegen angetreten hatte; in Wahrheit hatte ich jedoch auf mehr gehofft.
    Komm mit mir nach Hause, Maña. Ich habe eine neue Familie gefunden. Lass uns so tun, als wäre es möglich, meine alte Familie dann wieder zusammenzuführen.
    »Du musst beide Seiten sehen«, sagte ich.
    »Du redest vom Verstehen? Die längste Zeit meiner Kindheit warst du ein Schatten, der nichts verstand, außer dass ihm Leid zugefügt worden war. Niemand konnte etwas dafür, dass Mutter starb. Doch du hast Sabina, Daniel und mich jeden Tag fühlen lassen, dass du uns die Schuld gabst!«
    »Euch? Ich habe immer nur mir selbst die Schuld gegeben.«
    »Und jetzt predigst du mir, ich solle beide Seiten sehen? Mein Mann ist umgebracht worden. Für mich gibt es nur eine einzige Seite.«
    »Ich war wie tot, als ich eure Mutter beerdigt hatte. Ich weiß, dass ich mich an euch versündigt habe. Jetzt weiß ich es. Es gibt so vieles, das ich dir erzählen muss – gute und böse Dinge.«
    »Kannst du mir erzählen, wie ich wieder leben soll nach Johanns Tod? Nachdem alles, was mir von ihm geblieben ist, schmerzvolle Erinnerungen sind? Das kannst du nicht. Das kann ich von dir am allerwenigsten lernen.«
    »Aber ich kann dir helfen zu verstehen ...«
    »Ich habe alles verstanden, was es in dieser Sache zu verstehen gibt!«, schrie sie. »Ulrich Hoechstetter hat meinen Mann umgebracht! Er hat den Strick nicht geknüpft, an dem sie ihn wie einen gemeinen Verbrecher hängten, aber er hat die Hände geführt, die es getan haben!«
    Die Totengräber blickten neugierig herüber. Ihre dunkle Kleidung wies noch dunklere Streifen auf, wo sie vom Schweiß durchtränkt war. Dädalus' Grab war nur noch ein flacher Hügel frisch aufgeschütteter

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