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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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neugierigen Blicke, als ich mich hinter meinen Habseligkeiten her in Bewegung setzte, um die unwillkommene Gastfreundschaft des Burggrafen im Bischofspalast in Anspruch zu nehmen.
     
    »Ich dachte, ich tue dir einen Gefallen, wenn ich dich aus diesem Wanzenloch rette.«
    »Ich habe nicht darum gebeten.«
    »Du hast es auch nicht abgelehnt.«
    »Wie denn – du hast mich ja nicht mal gefragt!«
    Gregor seufzte. »Du bist noch schwieriger geworden, als du es damals warst.«
    »Ich lege keinen Wert darauf, unter diesem Dach zu schlafen.«
    »Angst vor den Geistern der Vergangenheit?« Gregor lächelte mit gespielter Überheblichkeit und tat so, als hätte ich seine generöseste Geste grob zurückgewiesen. Er hatte gelogen, als er gesagt hatte, er habe mir einen Gefallen tun wollen. Er war der Ansicht, dass ich nun für ihn arbeitete, und je näher er mich zu sich heranzog, desto besser konnte er mich überwachen. So viel zum gegenseitigen Vertrauen. Obwohl ich nicht umhin konnte, mir einzugestehen, dass ich bis jetzt noch nicht viel dazu getan hatte, mir das seine zu erwerben.
    »Was weißt du schon von den Geistern meiner Vergangenheit« , sagte ich.
    Er senkte den Blick und das künstliche Lächeln verschwand von seinem Gesicht. »Einige davon dürften wir gemeinsam haben.«
    Nicht die wirklich wichtigen, wollte ich sagen und dachte an die Gräber hinter der Holunderhecke in meinem Hof inLandshut. Doch ich schluckte meine Worte hinunter. Gregor legte die Hände auf die Tischplatte, die noch immer so blank war wie am Morgen. Dort, wo der schwachsinnige Knabe den nassen Fleck hinterlassen hatte, glänzte die Platte wieder wie zuvor. Gregor hatte jemanden gefunden, der sie poliert hatte.
    »Bis heute Abend«, sagte ich und drehte mich um.
    »Ich lasse dich holen. Das wird ein Festessen.« Er saß an dem riesigen Tisch wie ein Hund, den man für ein besonderes Kunststück nicht gelobt hat, als ich die Tür hinter mir schloss.
    Ich wanderte in den Hof des Palastes hinaus und sah mich um, als nähme ich ihn zum ersten Mal wahr. Nun war ich in doppeltem Sinn wieder zu Hause. Dabei war mir nie etwas fremder erschienen. Ich dachte an die Gassen der Stadt und sah das schreckensbleiche Gesicht der Frau, die die Wachen abgeführt hatten; ich dachte an die Zeit mit Bischof Peter und sah die groteske Darstellung auf seinem Kenotaph; ich dachte an das Haus im Pfaffengässchen, in dem ich mit meiner Familie gewohnt hatte, und sah die abgehärmte Gestalt meiner jüngsten Tochter, die wie ein Spuk zwischen den Kirchgängern verschwand; ich dachte an das geflochtene Ding, das sie dem ersten Mordopfer ins Grab geworfen hatte und das nicht mehr war als das, woraus es bestand: wertloses Stroh, wenn man nicht gewillt war, ihm eine andere Bedeutung beizumessen. Es sind nicht die Symbole, die uns ängstigen, sondern der Wert, den wir ihnen geben.
    Ich sah nach unten und erkannte, dass ich mit dem Fuß eine Zeichnung in den zu einer dünnen Schlammschicht gewordenen Staub gemacht hatte: ein Dreieck. Ich wischte es wütend mit der Schuhsohle aus, bevor ich noch die fünf Kreise ergänzen konnte.
    »Ein Hoch auf Narrheit und Überheblichkeit«, brummte ich. Der Temperaturabfall, den das Gewitter mit sich gebracht hatte, ließ mich frösteln und Schauer meinen Rücken hinunterlaufen. Nach der Schwüle des Morgens und der vergangenen Tage schien der Herbst plötzlich hereingebrochen zu sein. Die Blätter, die der Regen von den Zweigen gepeitscht hatte und die nun den Boden bedeckten, waren noch grün, doch sie lagen nichtweniger dicht als im Oktober und wirkten in ihrer Färbung fehl am Platz. Es gefiel mir nicht mehr im Hof des Bischofspalastes. Ich dachte daran, dass ich eigentlich in den Gassen Augsburgs nach Maria hätte suchen sollen, doch für jemanden, der nicht die geringste Ahnung hat, wo er mit der Suche nach einer Person beginnen soll, die nicht gefunden werden will, war die Stadt riesengroß. Es gefiel mir auch im Inneren des Bischofspalastes nicht; aber ich hatte keinen anderen Platz, wohin ich hätte gehen können, also ging ich wieder hinein.

5.
    Die meisten Räume waren leer, soweit sie nicht als Lager dienten. Bischof Johann schien mit großem Gefolge unterwegs zu sein; auch darin unterschied er sich von seinem Vorgänger. Ich wanderte durch eine Stille, die in das Innere einer Kirche gepasst hätte, bis ich plötzlich in einen Raum geriet, in dem sich die Männer drängten und in dem die stickige Luft eines Zimmers herrschte,

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