Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
schwang sich auf seinen Rappen, um die wenigen Schritte zurückzulegen, die Stinglhammers Haus vom Bischofspalast trennten. Bedachte man, wie lange das Satteln und das Aufzäumen des Pferdes dauerte (selbst wenn man es nur schlampig machte), hätte man den Weg in der gleichen Zeit mehrfach zu Fuß zurücklegen können.
»Ich hätte aus den schmierigen Händen dieses Lumpen da drin nichts annehmen können«, sagte er. »Aber Hunger habe ich trotzdem.«
»Ich habe heute Morgen in der Herberge gut gegessen. EineGruppe von Nürnberger Kaufleuten auf der Durchreise hat mich freundlicherweise an ihrem Mahl teilnehmen lassen.«
»Na gut, aber heute Abend wird zusammen gespeist. Wir sehen uns im Palast.«
Der Wirt des Frommen Pilgers stierte mich überrascht an, als ich mich seiner Herberge näherte. Er stand neben einem zweirädrigen Karren, dessen leere Deichsel in die Höhe ragte. Als ich seinen Blick zurückgab, wurde er von jemandem, der aus dem Eingang trat, beiseite gestoßen. Zwei Männer trugen die geringen Besitztümer eines Reisenden nach draußen: eine halbgroße lederbeschlagene Truhe, die sich hinter den Sattel eines Pferdes binden ließ und höchstens Platz für eine zweite Garnitur Kleidung zusätzlich zu derjenigen bot, die ihr Besitzer am Leibe trug; eine Rolle aus gepichtem Tuch, die man bei Regen entfalten und sich als Schutz über den Kopf ziehen konnte und die ein ebenso langes wie nutzloses Messer enthielt und ein Paar unbenutzter, neuer Stiefel; ein Sack aus grobem Stoff, in dem sich die Reste des Reiseproviants befanden. Es war mehr, als ein Pilger mit sich führt, und weniger als das Gepäck eines türkischen Reiters. Einer der beiden Männern drückte mit einem Fuß die Deichsel nach unten, bis der Karren halbwegs gerade stand, dann warfen sie ihre Last hinein. Ich trat ihnen in den Weg, als sie den Karren losziehen wollten.
»Wenn ich mich nicht täusche, sind das meine Sachen«, sagte ich.
»Herr, warten Sie ...« Der Wirt eilte an meine Seite.
»Was haben Sie vor?«
»Ich tue doch nur ...«
»Ladet wieder ab«, befahl ich den beiden Männern. Sie sahen sich mit finsteren Mienen an. »Jetzt.«
»So hören Sie doch!«
»Ihnen«, zischte ich und drehte mich so schnell zu dem Wirt herum, dass er zurückfuhr, »wird in wenigen Augenblicken der Kerkerwärter zuhören, während er die Tür hinter Ihnen zusperrt.«
»Ich tue doch nur, was man mir sagt!«, brachte er hervor.
»Man hat Ihnen aufgetragen, meine Sachen wegzubringen?«
Er nickte und machte eine Handbewegung zu den beiden Kerlen mit dem Karren hin. Sie packten wieder an. Ich stellte mich ihnen erneut in den Weg. Sie ließen die Deichsel sinken und starrten mich hasserfüllt an.
»Der Bürgermeister?«, fragte ich. »Oder jemand aus einer der großen Familien? Ist es mein Name oder der von Bischof Peter, der Sie dazu gebracht hat?«
»Mit dem alten Bischof hat es nichts zu tun ...«
»Sondern?«
»Mit dem neuen ...«
»Lächerlich. Bischof Johann ist gar nicht in der Stadt, und abgesehen davon ...«
»Wenn Sie mich ausreden lassen würden«, erklärte der Wirt, »dann könnte ich Ihnen mitteilen, dass der Befehl für den Abtransport Ihres Gepäcks aus dem Bischofspalast kam.«
»Vom Burggrafen?«
»Höchstpersönlich.«
»Lassen Sie uns passieren, Herr«, knurrte einer der Knechte, »sonst werden wir Ihretwegen gescholten.«
»Ihr bringt meine Sachen in den Palast?«
Sie nickten; der Wirt nickte mit und breitete gleichzeitig die Arme aus. »Ich dachte, Sie wüssten darüber Bescheid.«
»Gregor«, murmelte ich. »Ich hätte es mir denken können.«
»Es fehlt nichts, Sie können sich überzeugen. Niemand hat Ihnen was gestohlen.«
»Ihr könnt weitermachen«, sagte ich zu den Männern mit dem Karren. Ich gab den Weg frei, und sie zogen an, ohne sich zu bedanken oder mir noch einen Blick zu gönnen. Der Wirt presste die Lippen zusammen.
»Machen Sie mir bloß keine Vorwürfe. Woher hätte ich wissen sollen, dass Sie was dagegen haben?«
»Ist schon gut.«
Er zog die Nase hoch und glättete seine verdrossene Miene. Ich sah den Männern nach, die den Karren langsam über dasunebene Pflaster die Spitalgasse entlangzogen und bei der Gasse abbogen, die sie zu Sankt Ulrich und zu den Stadeln am Weinmarkt führen würde.
»Wieso dachten Sie, die Stadtbehörden hätten Sie wegen des alten Bischofs Peter aus der Stadt gewiesen? Kannten Sie ihn?«
»Nicht wichtig«, erwiderte ich. »Nicht mehr.«
Ich spürte seine
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