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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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außer Acht lässt.«
    »Umstände? Was denn für Umstände? Dass Jos Onsorg zu einer Hexenjagd bläst? Ich sag dir was: Er gehört zu den Menschen, die dreimal am Tag in die Kirche rennen und abends noch vor dem Altar in ihrer Schlafkammer niederknien.«
    »Es ist nicht nur Onsorg ...«
    »Aber er ist der Bürgermeister. Das Volk rennt ihm hinterher, weil es ihn für schlauer hält als sich selbst.«
    »Ist es Ulrich Schwarz auch hinterhergerannt?«
    »Ja, in Scharen, als man ihn zum Galgen hinauskarrte«, erklärte Gregor.
    Ich seufzte. »Mit den Jahren habe ich gelernt, die Dinge differenzierter zu sehen.«
    »Ach was. Ich habe mit den Jahren gelernt, dass alles viel einfacher ist, als man immer glaubt. Und dass genau die größten Dummheiten immer wieder begangen werden. Darum sind auch nur einige wenige ausersehen, den Dummen vorzuschreiben, wo es lang geht.«
    »Ich bin nicht überzeugt...«
    Gregor holte tief Atem und trat einen Schritt zurück. Er musterte mich von oben bis unten. »Na gut«, sagte er, »na gut. Was würdest du jetzt tun?«
    »Ich habe noch keinen Entschluss gefasst.«
    »Willst du hören, was ich vorschlage?«
    Ich nickte.
    »Ich glaube, eine der großen Familien will Hoechstetter Angst einjagen. Ob diese Geschichte mit den Besitzrechten stimmt oder nicht: Sie sind jedenfalls neidisch auf seinen Erfolg und immer daran interessiert, ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Stinglhammer hat die Dokumente geprüft – Stinglhammer ist tot. Dädalus, der ehemalige Leiter des Hoechstetterhauses in Bologna, war wahrscheinlich dazu ausersehen, die Metallhütte in Reutte zu leiten – Dädalus ist tot. Ist doch ganz einfach, genau wie der alte Occam erklärt hat ... ich sag dir was: Wir müssen bloß den Welsers und Gossembrots und wie sie alle heißen auf den Zahn fühlen.«
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass zum Beispiel Bartholomäus Welser den Kopf hängen lassen und sagen würde: ›Ja, meine Herren, ich war's!‹, wenn wir bei ihm auftauchen.«
    »Natürlich nicht. Keiner wird was zugeben.«
    »Und dann?«
    »Dann schalten wir die Stadtbehörden ein und lassen Hoechstetter formal Anklage gegen alle seine verdächtigen Konkurrenten erheben, wenn's sein muss vor dem Kaiser.«
    »Was du vorhast, ist mehr oder weniger, das Gefüge der Stadt aus den Angeln zu heben.«
    Gregor lachte fröhlich und schlug sich auf die Schenkel. »Der alte Bischof Peter würde sich darüber freuen, was meinst du?«
    »Das ist nicht dein Motiv.«
    »Nein, ist es nicht. Ich will den Fall lösen.«
    »Auch für diesen Preis?«
    »Was für einen Preis? Veränderung ist Bestandteil des Lebens. Die großen Familien regieren die Stadt seit Generationen. Die Leute glauben, durch die Unabhängigkeit von irgendeinem Herzog oder Bischof haben sie die Freiheit erlangt – dabei brauchten sie nur mal zu sehen, wie sich die Söhne der reichen Familien die Bürgermeisterkette einander aushändigen und wie hier nichts geschieht, was die großen Handelshäuser nicht zuerst auf ihren eigenen Vorteil überprüft haben.«
    »Ich habe noch genug vom letzten Aufstand, in den ich geraten bin.«
    »Das ist doch kein Aufstand. Du lieber Himmel.« Gregor hielt betroffen inne. »Ich glaube, ich habe mich gerade fortreißen lassen. Natürlich wird es dazu nicht kommen. Alles, was ich will, ist, die Mordfälle zu lösen. Hast du eine bessere Idee, wie wir vorgehen sollten?«
    »Nein.«
    »Ich sag dir was: Dann machen wir's so lange auf meine Art, bis du einen überzeugenden anderen Vorschlag hast.«
    Ich hob die Hände. Nichts widerstrebte mir mehr, als Gregors Gedankenpfad zu folgen, besonders, was die Konsequenzen betraf. Ich hatte ihm damals tatsächlich immer Wilhelm von Occams These vorgehalten, und auch heute war ich noch davon überzeugt. Doch Gregor missbrauchte Occams Aussage, um die Tatsache zu bemänteln, dass wir noch gar nicht genügend Informationen gesammelt hatten, um überhaupt eine Theorie zu den Morden entwickeln zu können, mochte sie nun einfach oder kompliziert sein. Ich hatte seinem Plan nichts entgegenzusetzen und somit keine andere Wahl, als ihn vorerst mitzuspielen. Nur befand sich zwischen den großen Worten lang verstorbener Philosophen und den Gedankenflügen eines ehrgeizigen Mannes, der ein machtloses Amt bekleidete, meine Tochter Maria, die in das Grab eines der Ermordeten ein Symbol dessen hatte fallen lassen, was ich seit über zwanzig Jahren aus dem Grunde meiner Seele verabscheute.
     
    Gregor

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