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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hin. Als ich sie schüttelte, legte sie ihre andere Hand darüber und ließ mich nicht los. Ihre Hände waren warm und trocken und fühlten sich angenehm an. Sie schlug die Augen nieder, aber nur Sekundenbruchteile, bevor ich den Blickkontakt hätte abbrechen müssen. Über ihre Wangen kroch ein Hauch Farbe.
    »Ja – nur, in diesem Haus gibt es im Augenblick keinen, der sie im Zaum halten würde.«
     
    Ich tappte durch den Nebel in Richtung zum Jakoberviertel und wälzte Elisabeths Auskünfte in meinem Hirn hin und her. Es schien, dass sie weniger halfen als vielmehr zur Verwirrung noch beitrugen. Martin Dädalus war ein Zeitgenosse gewesen, für dessen gewaltsamen Tod vermutlich so manchereine einleuchtend klingende Erklärung gehabt hätte. Für die Ermittlung in einem Mordfall ist es meist aber nicht zuträglich, wenn sich der Kreis der Verdächtigen plötzlich erweitert. Was hier vorlag, war eine Erweiterung, die bis nach Bologna zu reichen schien – es sei denn, ich hatte etwas falsch interpretiert. Meine Denkarbeit wurde nicht erleichtert durch Elisabeths andere Aussage, dass man alte Sünden nicht ungeschehen machen könne. War es nicht so, dass ich genau in dieser Mission hergekommen war? Auch hier mochte es mir scheinen, dass ich ihre Worte falsch ausgelegt hatte; vielleicht hatte sie sagen wollen, dass es lediglich einen neuen Anfang geben könne, aber niemals mehr die Rückkehr zu alten Zeiten. Elisabeths Optimismus war ein Charakterzug, über den ich nicht in gleichem Maß verfügte.
    Als hinter kleinen, warm leuchtenden Fenstern das Gemurmel und die Geräusche eines Würfelspiels hervordrangen und mit ihnen der blecherne Geruch abgestandenen Weins und kalt gewordener Asche, blieb ich stehen. Wenn ich mich nicht täuschte, befand ich mich am östlichen Ende der Pilgerhausgasse, kurz bevor sie auf die Untere Lauteriech traf. Von hier aus hätte ich den Kirchturm von Sankt Jakob hinter den Fassaden aufragen sehen müssen, wenn der Nebel ihn nicht meinem Blick entzogen hätte. Ich war freiwillig hergekommen, doch es war keine Gegend, in der man unbedingt allein unterwegs sein wollte, und keinesfalls bei dichtem Nebel. Ich dachte an Elisabeths Warnung vor dem Burschen mit dem Namen Lutz und sah mit einem Mal die ausdruckslosen Augen des Fischs vor mir und die Todesangst im Gesicht von Rem Änderlin, als der Fisch und seine Kumpane ihn eingekreist hatten. Der Fisch war mittlerweile zumindest ein alter, kranker Mann, noch wahrscheinlicher war er seit Jahren tot, doch die Erinnerung an den jungen, kraftvollen Burschen mit den gefühllosen blauen Augen überwog jede andere Vorstellung. Der Gedanke, im Jakoberviertel und seiner Bevölkerung aus Versagern, Hoffnungslosen, Gestrandeten, Rechtlosen und Verzweifelten, die für ein wenig Geld alles verkauften, würdeich Hinweise bekommen, die mir letztlich bei der Suche nach meiner Tochter weiterhalfen ...
    Karl Hoechstetter: »Wir können es nicht verhindern, wenn eine Frau den Pfad der Ehrbarkeit verlassen will.«
    ... stieß mich auf einmal ab. Ich trat unwillig an die glaslosen Fensteröffnungen und spähte hinein. Eine kleine Gruppe Würfel spielender Männer saß am Ende eines langen Tisches, der das gesamte Sitzmobiliar der Trinkstube ausmachte. Ich spähte auf das ungeschickt bemalte Schild über der Türöffnung: ein dunkelfarbiges Etwas, das einem Fass ähneln mochte, wenn man nicht zu wählerisch war. Ich seufzte und trat ein.
     
    Die Trinkstube lag mehrere ungleiche Treppenstufen tiefer als das Niveau der Gasse draußen, ein düsterer Raum mit einem Gewölbe, der seine Abstammung von einem Lagerraum eines ehemals ehrenwerten Bürgerhauses nicht verleugnen konnte. Das Gewölbe war grau vom Rauch und die Deckenbalken rußgeschwärzt, und wenn es von draußen geschienen hatte, als sei das Innere der Schankwirtschaft hell erleuchtet, dann nur, weil jeder Feuerschein in der Nebelgraue hell gewirkt hätte. In einem Kamin, der weit genug war, dass sich ein halbes Dutzend Gesetzloser darin hätte verbergen können, brannten klobige Holzscheite, und vom Deckengewölbe hingen an Ketten Öllampen, von denen ebenfalls zwei brannten – eine über einem Bock mit einem Fass, an dem ein unrasierter Mann mit einer Lederschürze herumlungerte (der Wirt), eine weitere über den Würfelspielern. Der Raum hätte es auch an einem sonnigen Tag vertragen, dass alle Lampen entzündet gewesen wären. Der Tisch bestand aus mehreren Holzplatten, die man über Böcke gelegt hatte,

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