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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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der Arbeit seiner Bewunderer fachmännisch zugesehen. Nachdem sie fertig waren, begann er sich in aller Ruhe auszuziehen. Es stand kaum zu befürchten, dass um diese Stunde weitere Zecher hereinkommen würden, und schon gar keine Frauen. Ich ahnte dumpf, dass Lutz auch dies egal gewesen wäre. Schon während dem Zerschlagen des Tongeschirrs hatte es so ausgesehen, als würden sich zwei Fraktionen unter den Männern bilden, und tatsächlich strömte jetzt ungefähr die Hälfte der Kerle an Lutz' Seite, während das andere halbe Dutzend sich um einen Champion ihrer Wahl scharte. Von der anderen Fraktion war mir niemand bekannt; es schien sich um Fuhrleute, Maurer und Träger aus dem Jakoberviertel zu handeln, die entweder dem lieben Gott den Tag stahlen oder aufgrund des Wetters nicht arbeiten konnten. Der Größte von ihnen begann sich nach einem kurzen Blick zu Lutz herüber ebenfalls auszuziehen: Filzhut, Hemd, Hose und Stiefel fielen. Die Bruche blieb, ein nicht allzu sauberes Stück Stoff, das vom Gürtel der Hose gehalten worden war und jetzt über seine Lenden zu rutschen begann; er schlang sich den Gürtel wieder darum und zog so viel Stoff oben heraus, bis er ihn um den Gürtel rollen und darunter feststopfen konnte. Die Bruche saß nun stramm und presste sein Gemächt zusammen.
    Lutz ließ sein Lendentuch einfach fallen und präsentierte sich im Schein der Öllampen und des Feuers so wie der Teufel ihn erschaffen hatte. Die Muskeln an seinen Armen waren wie dicke Taue und seine Brust wie von einem antiken Bildhauer aus Marmor gehauen. Darunter hatte die Ausschweifung gehaust und einen prallen Speckring auf seinen Hüften abgelagert, der die stattliche Erscheinung seines Oberkörper zunichte machte. Seine Beine waren lang und gerade und nicht weniger muskulös als seine Arme. Dazwischen präsentierte er ohne Scham ein Glied, auf das ein Hengst stolz gewesen wäre und das sich in Erwartung des Kommenden halb mit Blut gefüllthatte. Lutz drehte sich einmal um sich selbst und ließ sich bewundern. Dann knotete er das Lendentuch wieder um seine Mitte, ohne sich wirklich die Mühe zu machen, sich zu bedecken. Sein Kontrahent trat an ihn heran, schlanker von Gestalt und ohne den Speckwanst. Sie drückten ihre Schultern aneinander und schoben probeweise ein paar Mal hin und her, dann trennten sie sich, und das Wettgeschrei begann.
    Das Spiel hatte ich schon in Scheunen gesehen (und selbst gespielt), die für ein Fest oder einen Feiertag zum Tanzboden umfunktioniert worden waren. Man stieg auf eine Sitzbank und versuchte, über den Tisch hinweg auf die andere Sitzbank zu springen. Wer es mit beiden Beinen gleichzeitig schaffte und bei der Landung nicht den Zuschauern in die Arme taumelte, sondern auf der Bank stehen bleiben konnte, hatte eine Maß Bier und einen flüchtigen Kuss von einer Schönen gewonnen.
    Lutz und seine Gesellen spielten nicht um einen Krug Bier oder Wein, und es war auch kein Mädchen da, das einen Kuss hätte geben können. Sie spielten um Geld, und es dauerte einige Minuten, während derer die beiden Kontrahenten ihre Muskeln spielen ließen und so überlegene Gesichter wie möglich schnitten, bis alle ihr Geld gesetzt hatten. Lutz' Trabant hatte die Rolle des Geldverwalters übernommen. Das Häuflein, das die Arbeiter gesetzt hatten, war deutlich kleiner als das der Hoechstetter-Bediensteten – ein weiterer Beweis dafür, dass Lutz und seine Freunde gestern oder heute unverhofft zu einem kleinen Vermögen gekommen waren.
    »Will noch jemand von den Herren einen Gulden wetten?«, rief Lutz, und alle starrten mich an. Ich sah, dass ich keine Wahl hatte, als ihm zu antworten, und bemühte mich, meine Stimme ruhig klingen zu lassen.
    »Heute nicht«, sagte ich. »Bei Nebel wette ich nie.«
    Lutz lachte verächtlich. Er kletterte als Erster auf die Bank, von der er abspringen wollte. Die Bank, die als Landeplatz vorgesehen war, war die, hinter der sich die Scherben ausbreiteten. Die Regel war klar: Wer bei der Landung hinunterfiel, fiel dort hinein. Dann hielt ich den Atem an. Lutz ließ sich die Händelose hinter dem Rücken fesseln, und nach einem kurzen Blickwechsel mit seinem Gegner wurde auch um seine Fußknöchel ein lockeres Seil geschlungen. Lutz hatte keine andere Möglichkeit, als mit beiden Füßen gleichzeitig abzuspringen und drüben mit beiden auch gleichzeitig wieder aufzutreffen. Er konnte seine Arme nicht einsetzen, um das Gleichgewicht zu halten. Je zwei Männer stellten sich

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